Evangelienkommentar 4. Fastensonntag (Lk 15, 1–3.11–32)
(rb–27.3.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Ernst Wageneder, Priester und Referent für Tourismuspastoral, Wallfahrts-und Missionarische Seelsorge.
Eine Bitte bleibt
Heute! Verschiebe es nicht auf morgen! So bringt es uns das Evangelium eindringlich nahe. Das Fest ist der soziale Ort, wo Menschen einander begegnen. Spontanes und emotionales Verhalten ist erlaubt, gewohnte Konventionen werden durchbrochen, Menschen entfliehen der Monotonie eines normierten Alltags, der zur belastenden Erfahrung geworden ist. Dem Fest wohnt ein Moment des Ekstatischen inne, Verzückung und unbändige
Freude stellen sich ein. Am liebsten würde ich die ganze Welt umarmen und ein Schmusebär sein! Die fröhliche Ausgelassenheit, der Moment des Überdreht-Seins tragen den Charakter eines Festes.
Lukas berichtet uns von einem festlichen Mahl, das sogar den verschwenderischen Charakter des Festmahles zulässt! Wird es hier auch etwas zu genießen geben? Darf der Mensch tatsächlich dem Lastcharakter des Lebens entfliehen und Konventionen über Bord werfen? Darf es so etwas in unserer Gemeinschaft der Kirche überhaupt geben? Ja! Selbstverständlich!
Nehmen wir die einladende Bitte des Vaters an! Wir dürfen der ohnmächtigen Liebe des Vaters alles zutrauen.
Immer schon hat der Vater auf den Sohn gewartet, der von zu Hause wegging, um eigenverantwortlich zu leben! Der Sohn beanspruchte sein Erbe. Dennoch eilt ihm sein Vater entgegen. Nicht wie ein Patriarch oder eine Respektsperson, sondern er fällt dem Sohn um den Hals und küsst ihn. Er beschenkt seinen Sohn mit allen Rechten seiner Sohnschaft, ohne zuvor akribisch genaue und peinliche Zurechtweisungen loszulassen, die nur „klein machen und demütigen“. Der Vater handelt anders, als sein Sohn es sich vorgestellt hat. Was aber würde sein, wenn Gott tatsächlich so handeln würde, wie wir es von ihm erwarten und uns vorstellen? Der Vater will keinen zusätzlichen Sklaven, sondern seinen Sohn zurückhaben! Dem Sohn begegnet hier eine Welt, die er so nie erlebt hatte. Er staunt, ist innerlich bewegt.
Der Vater irritiert beide Söhne mit seinem Verhalten. Sie reagieren sehr unterschiedlich: der Jüngere bringt kein Wort hervor und der Ältere versucht seinem Unmut freien Lauf zu lassen. Der Vater ist vergebend und bittend zugleich. Eben darin zeigt sich die Irritation und die Ohnmacht des Vaters. Ist er in dieser Parabel ohnmächtig, weil er vergibt und bittet? Halten wir fest: Der Vater macht beiden keine Vorwürfe, hält keine lange Predigt, setzt niemanden unter Druck, und er belehrt auch nicht.
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 12/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.