Oshowski Andreas Allerheiligen: Tödlich! „Gut, dass Du meine Ängste nicht kennst…“
Ein anderer Blick von Andreas Oshowski.
Welchen Friedhof besuchen Sie an Allerheiligen? Besuchen Sie den Friedhof ihrer Sehnsüchte oder stellen Sie ein Gesteck an das Grab der verpassten Chancen? Legen Sie Blumen an die Grabsteine Ihres Scheiterns oder zünden Sie eine Kerze am Mahnmal des eigenen Selbsthasses an? Der Friedhof der eigenen Ängste bleibt allerdings versperrt, weil wir die eigenen Ängste nicht begraben konnten.
Simson dachte: Ich werde auch diesmal wie bisher entkommen und die Fesseln abwerfen. Denn er wusste nicht, dass der Herr ihn verlassen hat.Die Bibel (Buch der Richter im Ersten Testament, 16,20ff)
Die Geschichte von Simson und Delila im Buch der Richter ist eine fatale Begegnung aus Vertrauen und Angst. Die Geschichte endet tödlich. – Allerheiligen ist in unserer Gesellschaft vor allem ein Gedenken, ein Erinnerungstag. Wenn wir Allerheiligen ernst nähmen, wäre es zuallererst eine Hoffnung, die Hoffnung, dass aus unseren Sehnsüchten, unseren verpassten Chancen, unserem Scheitern, unserem Selbsthass und sogar aus unseren Ängsten Heiligkeit erwächst. - Eine Freundin hat zu mir gesagt: „Gut, dass Du meine Ängste nicht kennst.“ Aus Pietät habe ich auf dem Friedhof der Höflichkeiten nicht darauf geantwortet…
Der Gedanke, der mich heute bewegt
So „entziehen sich … zwar die meisten Menschen zunehmend den allgemeingültigen Vorgaben religiöser oder auch bürgerlicher Idealvorstellung, werden aber umso schwerer aufgeladen mit dem Gewicht, dass aus ihnen gelingendes und glückendes Leben entstehen muss.“1 Also: welchen Friedhof besuchen Sie an Allerheiligen?
1 Wolfgang Beck, Sprung in den Staub, S.30