Welche Rolle spielen christliche Werte in der EU?

SALZBURG (eds-14.12.2018) Der Österreichische Vorsitz im Rat der Europäischen Union lud gestern gemeinsam mit dem Erzbischöflichen Privatgymnasium Borromäum zur Diskussionsrunde „Die Zukunft Europas gestalten“ ins Borromäum ein. „Welche Rolle spielen christliche Werte in der EU?“ – mit dieser Frage beschäftigten sich Erzbischof Franz Lackner, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Christian Gsodam, Generalsekretär im Europäischen Ausschuss für Regionen auf dem Podium und kamen anschließend mit dem Publikum ins Gespräch. EU-Kenner und Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, Manfred Perterer, führte durch den Abend. Krankheitsbedingt absagen musste der Sonderberater für den EU-Vorsitz, Andrä Rupprechter.
„Gemeinsame Rückbindung fehlt“
„Die EU ist eine Kostbarkeit, die es zu hüten gilt“, sagte Erzbischof Lackner. Jede Kritik an der Union habe somit die konstruktive Weiterentwicklung dieses Projektes zum Ziel. In der Wertefrage ortet der Salzburger Erzbischof strukturelle Defizite: Es fehle eine verbindliche gemeinsame Rückbindung auf eine „absolute Entscheidungsinstanz“, um sich in moralischen und gesellschaftlichen Fragestellungen zu positionieren, erklärte Lackner.
Die Menschenrechte hätten das Potenzial, diese Lücke zu füllen, meinte Helga Rabl-Stadler. Sie stellten einen gemeinsamen europäischen Wert dar, der in jüdisch-christlichen Wurzeln gründe. Dass auch auf der künstlerischen Bühne zur Diskussion über eben diese Werte angeregt werde, machte die Festspielpräsidentin am Beispiel von Wolfgang Amadeus Mozarts „La clemenza die Tito“ fest. „Hier stellen sich beispielsweise Fragen nach Vergebung, nach Milde – die Auseinandersetzung mit genau diesen Themen holt das Publikum aus ihrer Alltäglichkeit“, und konfrontiere zudem mit der Frage nach Sein und Werden, präzisierte Rabl-Stadler. Aktuell forderten die Themen Turbokapitalismus und Fluchtbewegungen zur Auseinandersetzung mit der europäischen Wertehaltung heraus, zeigt sich Rabl-Stadler überzeugt.
EU: ein Friedensprojekt
Generalsekretär Gsodam strich den Frieden in Europa als bedeutsame Leistung der Europäischen Gemeinschaft hervor und betonte: „Die große Leistung liegt im friedlichen Austausch, in der gemeinsamen Gesprächskultur.“ Die EU sei als Reaktion auf „das ständige Kollabieren“ des Kontinents gegründet worden. Die EU müsse sich in diesem Frieden stets neu versichern und die damit verbundenen Werte weiterentwickeln.
Die Gründungsgeschichte der Salzburger Festspiele zeige, wie auch der Kunstbetrieb in brisanten Zeiten bewusste Zeichen des Friedens gesetzt habe. „Die Salzburger Festspiele waren und sind ein Friedensprojekt“, ist sich Rabl-Stadler sicher und merkt an, Kunst sei ein „Zubringer von Werten“ und solle mehr an aktuellen, politischen Diskursen partizipieren und sich aktiv in die Diskussion einbringen.
Wirtschaft, Werte, Interessen
Generalsekretär im Europäischen Ausschuss für Regionen, Christian Gsodam, stellte die Leistungen der Europäischen Union als Wirtschaftsbündnis heraus und wehrte sich gegen eine Geringschätzung dieses Verdienstes: „Die Wirtschaft sichert die Lebensgrundlage der Menschen; die Zukunft dieser Sicherung ist von der Wirtschaft abhängig.“
Interessensgemeinschaft zu sein schließe Wertehaltungen nicht aus, betonte Gsodam. Man kann seinen Interessen auch wertebewusst nachgehen“, ist sich der Generalsekretär gewiss.
Foto (v.l.n.r.): Manfred Perterer, Helga Rabl-Stadler, Erzbischof Franz Lackner und Christian Gsodam. / Foto: Erzdiözese Salzburg