Theologie: Antisemitismus in Islam und Christentum mit Überschneidungen

SALZBURG (kap)/ Den Motiven für Judenfeindschaft und Antisemitismus ging eine Veranstaltung an der Salzburger Katholisch-Theologischen Fakultät nach. Im Fokus der Veranstaltung am Mittwochabend standen der Islam und das Christentum, da beide eine Judenfeindlichkeit in Geschichte wie Tradition kennen. Das Christentum beleuchtete der Kirchenhistoriker Roland Cerny-Werner, der den christlichen Antijudaismus als Antithese zur Nächstenliebe stellte. Für den Islam referierte der Wiener Religionspädagoge Ednan Aslan, der von einer Vermischung europäisch antisemitischer Theorien mit Inhalten aus dem Koran im arabischen Raum sprach. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Zionismus und Kritik am Staat Israel sah Aslan unter den aktuellen Bedingungen nur schwer möglich.
Aslan wies in seinem Vortrag auf die vielfältigen Auslegungen des Korans in Geschichte und Gegenwart hin, die sowohl eine Grundlage für Judenhass als auch für ein friedliches Zusammenleben bilden könnten. Der heutige islamische Antisemitismus habe seine Wurzeln jedoch weniger im heiligen Text als in der Islamisierung antisemitischer und rassistischer Theorien aus Europa, die mit koranischen Inhalten vermischt wurden, so der Professor für Islamische Religionspädagogik am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien.
Insbesondere der europäische Antisemitismus und die Rassenlehre des 19. Jahrhunderts hätten Eingang in den arabischen Raum gefunden; gleiches gelte für antisemitische Pamphlete des frühen 20. Jahrhunderts, wie etwa die Protokolle der Weisen von Zion, die zu den einflussreichsten Programmschriften antisemitischen Verschwörungsdenkens zählten, so Aslan. Er widmet sich neben seinen Forschungsschwerpunkten zu Gewalt und Radikalismus besonders dem Dialog mit dem Judentum. 2023 erschien etwa sein Buch "Jüdisch-Muslimische Beziehungen im Wandel der Zeit".
Wirkungsmacht antijüdischer Stereotype
Cerny-Werner referierte über die Ursprünge und den historischen Verlauf christlicher Judenfeindschaft. Neben den theologischen Wurzeln nahm er auch Bezug auf die historische Bedeutung und Wirkungsmacht antijüdischer Stereotype. Als Kristallisationspunkt christlicher Judenfeindschaft stellte er die Entwicklung des Gottesmordvorwurfs gegenüber dem Judentum dar. Ebenso ging er auf die Ritualmordbeschuldigungen und die Vorwürfe der sogenannte Hostienschändungen ein, beides antijüdische Kernaussagen.
Der Salzburger Historiker und Bibelwissenschaftler verdeutlichte zudem die Relevanz der in der Geschichte des Christentums verankerten antijüdischen Schemata, die als antijüdische Narrative und Motive auch wesentliche Teile des Fundamentes des neuzeitlichen, rassisch-biologistischen Antisemitismus darstellten. Cerny-Werner ist auch Mitarbeiter am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg.
"Theologie im Zeichen der Zeit"
Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe "Theologie im Zeichen der Zeit" statt. Veranstalter waren die Theologische Fakultät und die Salzburger Pro-Oriente-Sektion. Dekan Dietmar Winkler konnte im voll besetzten größten Hörsaal der Fakultät u.a. Hanna Feingold, die frühere Leiterin der Jüdischen Kultusgemeinde Salzburg begrüßen, wie auch viele muslimische Religionslehrerinnen und -lehrer. Sein Anliegen sei es, so Winkler eingangs der Veranstaltung, die Theologische Fakultät als Raum des offenen Diskurses und Dialogs, der Reflexion und des Austauschs zu aktuellen, sowohl komplexen als auch kontroversen Themen anzubieten.
Die Thematik des Abends lag laut Winkler auf der Hand: "Die Macht der Bilder vom brutalen Überfall der Hamas auf Israel und aus Gaza machten aus dem auch hierzulande vorhandenen antisemitischen Grundwasserspiegel eine Flutwelle des Antisemitismus." Der Krieg des Staates Israel gegen den Terror der Hamas in Gaza sei eine Sache, das reflexartige Hochkommen von Antisemitismus und Antijudaismus hierzulande etwas ganz anderes.
"Die Universität muss Diskursfähigkeit zeigen, insbesondere bei solchen Themen, wo es sich oftmals zeigt, dass sich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen in ihre eigenen Meinungsräume zurückziehen und sich nicht mehr der anderen Position oder dem anderen Zugang aussetzen", so Winkler, der auch Vorsitzender der Salzburger Pro Oriente-Sektion ist.