Papst in Triest für Europa des Friedens und der Geschwisterlichkeit
TRIEST (kap) / Papst Franziskus hat in der Adria-Hafenstadt Triest einen nachdrücklichen Appell zum Einsatz für ein menschlicheres Europa und ankommende Migranten formuliert. "Von dieser Stadt Triest aus, mit Blick auf Europa, einem Knotenpunkt der Völker und Kulturen, einem Grenzland, befeuern wir den Traum einer neuen Zivilisation, die auf Frieden und Geschwisterlichkeit basiert", sagte er am Sonntag. Er äußerte sich in der Abschlussmesse der 50. katholischen Sozialwoche der Kirche Italiens zum Thema "Im Herzen der Demokratie". Seine Predigt vor rund 8.500 Menschen auf der zentralen auf der Piazza dell'Unita am Hafen der Grenzstadt zu Slowenien wurde mehrfach von Beifall unterbrochen.
Einsatz für Migranten
Anstatt sich allzu oft über kleine Dinge zu empören, sollten die Christen schockiert sein "über das Böse, das sich ausbreitet, das Leben, das gedemütigt wird, die Probleme der Arbeit, das Leid der Migranten", forderte Franziskus mit Blick auf das multiethnische Triest, das italienischer Endpunkt der Balkan-Fluchtroute ist. "Warum bleiben wir gleichgültig gegenüber den Ungerechtigkeiten der Welt? Warum nehmen wir uns nicht die Situation der Gefangenen zu Herzen, die auch aus dieser Stadt Triest wie ein Schmerzensschrei ertönt?", so Franziskus.
Die Kirche von Triest ermutigte er, weiterhin "an vorderster Front das Evangelium der Hoffnung zu verbreiten, insbesondere gegenüber denen, die über die Balkanroute kommen, und gegenüber allen, die körperlich oder geistig ermutigt und getröstet werden müssen". Dafür lohne sich der gemeinsame Einsatz. "Denn indem wir wiederentdecken, dass wir vom Vater geliebt werden, können wir alle als Geschwister leben."
Gegen Trägheit, Konsumwahn und Egoismus
Angesichts der vielen sozialen und politischen Probleme, die auch in der Sozialwoche diskutiert worden seien, brauche es einen Glauben, der den Finger in die Wunden der Gesellschaft legt, so Franziskus weiter. Dieser Glaube könne helfen, die Mittelmäßigkeit und Trägheit der Gesellschaft, Konsumwahn und Egoismus zu überwinden. Entschieden wandte sich der Papst gegen eine abgeschottete Religiosität, die sich nicht um die Belange der Menschen kümmere. "Gott versteckt sich in den dunklen Ecken des Lebens und unserer Städte, seine Gegenwart offenbart sich gerade in den Gesichtern, die vom Leid ausgehöhlt sind und in denen die Erniedrigung zu triumphieren scheint", betonte Franziskus.
Den Gottesdienst auf dem vollbesetzten Platz an der Hafenpromenade feierten auch knapp 100 Bischöfe - unter ihnen der Kärntner Bischof Josef Marketz - und 260 Priester mit. Ebenso waren serbisch-orthodoxe, griechisch-orthodoxe und protestantische Geistliche anwesend. Unter den tausenden Gläubigen befand sich auch eine internationale Delegation der steirischen Diözese Graz-Seckau. Wie Hochschulseelsorger Alois Kölbl mitteilte, feierte eine Gruppe von rund 70 Gläubigen aus der Katholischen Hochschulgemeinde Graz (KHG), den internationalen Gemeinden der Pfarre St. Graz-Andrä und der griechisch-katholischen ukrainischen Gemeinde den Gottesdienst mit dem Papst.
16 Konfessionen in Triest
Die 50. Sozialwoche der Katholiken in Italien war am Mittwoch mit einer Rede von Staatspräsident Sergio Mattarella im Kongresszentrum am Alten Hafen (Porto Vecchio) von Triest eröffnet worden und endete Sonntagfrüh mit der Rede des Papstes. Anschließend traf das Kirchenoberhaupt bei drei Treffen in privatem Rahmen Vertreter der Wissenschaft und der 16 Konfessionen und Religionen in Triest sowie Migranten, Menschen mit Behinderungen und sozial Benachteiligte.
An der Tagung im Kongresszentrum nahmen rund 1.200 Delegierte teil. Zudem gab es Workshops, Diskussionen, Vorträge, Konzerte und Gottesdienste. In der Stadt präsentierten sich Institutionen, Organisationen und geistliche Bewegungen in Dutzenden weißen Pavillons.
Nach Johannes Paul II. ist Franziskus der zweite Papst in der Geschichte der 1907 erstmals abgehaltenen Sozialwoche, der die Veranstaltung besucht. Mit Blick auf seine Anreise ließ die Stadtverwaltung im Frühjahr die berüchtigten "Silos" räumen: Dort mussten Migranten unter teils menschenunwürdigen Umständen zwischen Müll und Ratten hausen.