Ordensmann: Wir leben interreligiöse Gastfreundschaft und Offenheit
SALZBURG (eds) / Der eigenen Berufung nachgehen und sie leben: Dafür steht P. Jens Petzold. Der gebürtige Berliner ist in der Schweiz aufgewachsen. Heute wirkt in der nordirakischen Stadt Sulaimaniyya, wo er als Mönch das Marienkloster revitalisiert hat, das heute ein Ort der Begegnung ist. Im Interview mit der Salzburger Kirchenzeitung „Rupertusblatt“ spricht er über die Hilfe für geflüchtete Menschen, die Initiative Christlicher Orient (ICO) und das revitalisierte Marienkloster in der nordirakischen Stadt Sulaimaniyya als Ort der Begegnung und den Religionsdialog (aktuelle Ausgabe).
„Wieder in Europa, in der Schweiz und Deutschland merkte ich, dass ich zurück nach Mar Musa und Mitglied der Gemeinschaft werden wollte“, erzählte er über seine erste Erfahrung mit dem syrischen Wüstenkloster. „Was mich anzog war die Gastfreundschaft und die Offenheit gegenüber anderen Religionen. Das drückt sich in einer Neugierde aus, in einem Wissen wollen, was ist die Erfahrung des anderen mit Gott. Wie ist sein Weg mit Gott, wie erfährt er Gott in seinem Leben? Das hat mich fasziniert.“ Heute arbeite er viel mit Musliminnen und Muslimen zusammen. „Alle zwei Wochen diskutieren wir am Frühstückstisch über religiöse Themen.“ Über die Zukunft christlich geprägter Menschen im Nahen Osten sagte er: „Die Kirche muss für alle offen sein, ohne dabei ihre eigene Spiritualität zu verlieren. So leben wir in unserem Kloster. Der Bischof sagt: ‚So einen Ort der Begegnung gibt es im Irak nirgendwo anders.‘“
Zur ökumenischen Gemeinschaft
P. Jens Petzold gehört der ökumenischen Gemeinschaft al-Khalil an. Sie wurde 1991 im syrisch-katholischen Dair Mar Musa al-Habaschi (Heiliger Moses der Abessinier) von P. Paolo Dall’Oglio gegründet. Der Jesuitenpater wurde am 29. Juli 2013 von Mitgliedern des IS entführt und ist bis heute verschollen. P. Jens Petzold lebt und wirkt vor allem in Sulaimaniyya im Nordirak, er pendelt aber regelmäßig ins „Stammkloster“ nach Mar Musa in Syrien.
Zum Hilfswerk ICO
Das Hilfswerk ICO (Initiative Christlicher Orient) hat im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Euro für Hilfsprojekte im Nahen Osten aufgewendet. Das geht aus dem Jahresbericht 2023 hervor. 23 Prozent der Hilfsmittel flossen in Schul- und Bildungsprojekte, 18 Prozent in Winternothilfe, 14 Prozent in Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben vom Februar 2023 in Syrien und der Türkei, 13 Prozent in Nahrungsmittelhilfe, der Rest in weitere Sozialprojekte. Die Hilfe kommt Christinnen und Christen und/oder Musliminnen und Muslimen zugute. Die Projektpartnerinnen und Projektpartner sind stets christliche Einrichtungen oder Kirchen.
Neben der Hilfe vor Ort ist die Information über den Nahen Osten die zweite Hauptaufgabe der ICO. Vor kurzem lud das Hilfswerk zu seiner traditionellen Jahrestagung nach St. Virgil in Salzburg. Heuer lautete das Thema: „Irak – Quo vadis?“ P. Jens Petzold war einer der Referierenden.
Bis 2003 lebten noch bis zu 1,5 Millionen Christen im Irak. Heute sind es nach den optimistischsten Schätzungen 400.000. 90 Prozent davon leben im Nordirak in Kurdistan oder der westlich davon gelegenen Ninive-Ebene. (Infos: www.christlicher-orient.at)
Das ungekürzte Rupertusblatt-Interview lesen Sie unter www.rupertusblatt.at/weltkirche/2258/wir-leben-gastfreundschaft-und-offenheit.