Lackner nach Prager Versammlung: Kirche bleibt nicht dieselbe
PRAG (kap) / Er sehe die weitere Entwicklung der katholischen Kirche "mit einer ganz großen Offenheit, nach wie vor". Das sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, als einer von vier Delegierten Österreichs bei der Europa-Versammlung zur katholischen Weltsynode im ORF-Religionsmagazin "Orientierung" (Sonntag). Ihm sei dabei bewusst: "Die Kirche von vorher wird nicht mehr die von vorher sein können." Wie sich das konkretisieren wird, müsse man im Einvernehmen mit dem höchstrangigen in der katholischen Hierarchie, dem Papst überlassen, betonte Lackner.
Am Sonntag war auch der Schlusstag der knapp einwöchigen Kontinentalversammlung zum Synodalen Prozess in Prag. Vom 5. bis 9. Februar erarbeiteten 200 Personen vor Ort sowie 390 Online-Delegierte ein - noch der Endredaktion harrendes - Abschlussdokument; von 10. bis 12. Februar trafen sich die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa und bekannten sich in einem gemeinsamen Statement zum Prager Abschlussdokument zur Fortsetzung und Förderung von Synodalität in ihren Zuständigkeitsbereich. Österreich war in Prag außer durch Erzbischof Lackner auch durch die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Innsbrucker Hochschul-Rektorin und Theologin Petra Steinmair-Pösel und den Salzburger Theologen Markus Welte vertreten.
Polak formulierte als Studio-Gast der ORF-Sendung als eine entscheidende Grundfrage des Synodalen Prozesses: "Wenn alle mehr Teilhabe von sogenannten marginalisierten Gruppen (z.B. "Queer"-Personen oder wiederverheiratet Geschiedene, Anm.) wollen, bedeutet das, dass wir auch Lehre und Kirchenrecht verändern müssen, um der Glaubwürdigkeit willen, oder wird dadurch ... die katholische Kirche in ihrer Identität gefährdet?" Virulent sei dies etwa bei den Fragen Frau in der Kirche oder Segnung homosexueller Paare geworden, berichtete die Theologin von den Debatten in Prag. Die Konfliktlinien verliefen diesbezüglich oft zwischen West- und Osteuropa, die sich politisch und kulturell unterschiedlich entwickelten; aber auch in Österreich gebe es dazu mehr als nur eine Position.
"Probierräume" für Kirchenreformen?
Polak verwies auf einen Vorschlag ihrer Kollegin Steinmair-Pösel, in der Kirche begleitete "Probierräume" vorzusehen, wo Reformanliegen "ad experimentum" - noch ohne kirchenrechtliche Konsequenzen - einer Bewährungsprobe unterzogen werden könnten. Angesichts der Vielfalt der Ortskirche halte sie eine Dezentralisierung in diesem Sinne für "sinnvoll und notwendig", so die Wiener Theologin. Inhaltlich sei der Synodale Prozess "ergebnisoffen". Es werde in mutiger Weise versucht, einen "Raum der Diskussion und Diversität" sichtbar zu machen. Spannungen gelte es dabei "auszuhalten", und die Vielfalt in der katholischen Kirche sehe sie durchaus als eine Bereicherung, versicherte Polak.
In der ORF-"Orientierung" kamen auch der Moderator (Generalrelator) der Weltsynode, der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, laut dem in Prag eine "Spannung zwischen Lehre und Pastoral" zutage trat, sowie der tschechische Religionssoziologe Tomas Halik zu Wort. Letzterer betonte, die Einheit ("unity") der Kirche sei nicht mit Uniformität gleichzusetzen. Österreich-Delegierte Steinmair-Pösel traut dem Synodalen Weg zu, dieser könne "tatsächlich zu einem Kulturwandel in der Kirche führen". Sie begrüßte, dass die Versammlung in Prag mit einem Bekenntnis zur Synodalität endete, die auch in den kirchlichen Strukturen zu implementieren sei.
Zulehner gegen "Demokratiebashing"
Der Wiener Theologe und Religionssoziologe Paul Zulehner diagnostizierte im Blick auf die Beratungen in Prag, der katholischen Kirche fehle eine "Theologie der Demokratie". In einem Blog-Eintrag auf https://zulehner.wordpress.com zitierte er Kardinal Mario Grech, den Leiter des Synodensekretariates im Vatikan. Dieser habe in Prag den Synodalen Weg in Deutschland und dessen "Abstimmungs-Maschine" gegenüber der spirituellen Ausrichtung des weltkirchlichen Synodalen Prozesses abgewertet. Zu Unrecht, wie Zulehner meinte.
Auch wenn "gebetsmühlenartig betont" werde, die Kirche sei keine Demokratie - "obgleich das überhaupt niemand behauptet" - könne die Kirche sehr wohl von der Demokratie lernen. Und de facto seien ihr Vorgangsweisen wie in Demokratien gar nicht fremd: Selbst des Zweite Vatikanische Konzil habe über alle Vorlagen abgestimmt, erinnerte Zulehner.
Er wandte sich auch aus weltpolitischen Überlegungen gegen ein "fahrlässiges Demokratiebashing". Dies sei in einer Zeit, in der Demokratien weltweit gefährdet seien, "doppelt dramatisch und unverantwortlich". Zulehner wörtliche Warnung: "Eine Kirche, die den Anspruch hat, Hoffnung für die Welt von heute zu sein und zugleich das Demokratische als Gegensatz zum Hören auf den Geist und damit als Geist-los denunziert, verrät eben jene Mission in der Welt von heute, auf welche alle Synodalisierung zielt."