Konversion – eine Frage der Perspektive

SALZBURG (eds/mh-13.3.2017) / Drei Perspektiven gilt es im Bezug auf das Thema „Konversion“ zu unterscheiden: Die Sicht des Konvertiten, die Sicht der ‚verlassenen‘ Religionsgemeinschaft und die Sicht der neu gewählten Community. Das stellte die evangelische Theologin Monika Wohlrab-Sahr im Rahmen der vergangene Woche in Salzburg stattfindenden Tagung „Konversion – Abbruch, Übergang, Neubeginn“ fest.
Mit Konversion: Keine politische Radikalisierung
In ihrem Vortrag beschäftigte sich die Universitätsprofessorin für Kultursoziologie mit der Frage, ob es einen sinnlogischen Zusammenhang zwischen Konversion und Radikalisierung gibt. In ihren empirischen Studien konnte Wohrab-Sahr zeigen, dass es bei konvertierten Personen zwar zu einer Radikalisierung der Lebensführung komme, die Konversion jedoch nicht zu einer Radikalisierung der politischen Positionen führt. Aus religionssoziologischer Sicht handle es sich bei „Konversion“, einerseits um „einen Wechsel der Zugehörigkeit, andererseits aber auch um einen Wandel der Identität“, berichtete Wohlrab-Sahr.
Gründe für Konversionen
Matthias Hohla, Referent für Ökumene und Dialog der Religionen der Erzdiözese Salzburg und Mitorganisator der Tagung, fasste zusammen: „Es gibt vielfache Gründe für eine Konversion zu einer anderen Religionsgemeinschaft.“
Spirituelle Erfüllung, das Gemeinschaftsgefühl oder der Wunsch, der gleichen Religion anzugehören wie der Lebenspartner / die Lebenspartnerin wurden in den Beiträgen und Diskussionen im Rahmen der Tagung ebenso genannt wie die Präferenz für ein bestimmtes Gottesbild. Matthias Hohla: „Zum Beispiel Jesus Christus als persönliches Gegenüber im Gegensatz zum oft ‚fernen‘ muslimischen Gott.“ Der Islam sei wiederum für Menschen anziehend, weil er ein im Gegensatz zur trinitarischen Vorstellung über Gott im Christentum ein vergleichsweise einfaches Gottesbild habe. Aber auch pragmatische Gründe wie Jobaussichten bei einem kirchlichen Arbeitgeber oder die Aussicht auf eine raschere Aufenthaltsbewilligung im Falle von Asylwerbern wurden bei der Tagung in Salzburg als Motive für einen Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft genannt.
Christliche und muslimische Sicht
Der katholische Theologe Timo Aytaç Güzelmansur wies in seinen Ausführungen „Konversion aus christlicher Sicht“ auf einen Grundsatztext des 2. Vatikanischen Konzils hin: Es sei ein Unrecht, „den Bürgern durch Zwang oder Furcht oder auf andere Weise das Bekenntnis oder die Verwerfung irgendeiner Religion aufzuerlegen oder jemanden daran zu hindern, sich einer religiösen Gemeinschaft anzuschließen oder sie zu verlassen“. Güzelmansur wusste aus eigener Erfahrung über das Thema zu berichten: In einer alawitisch-schiitischen Familie in der Südtürkei aufgewachsen, ließ er sich Ende der 90er-Jahre in der katholischen Kirche Antakyas taufen. In seiner Herkunftsfamilie stieß Güzelmansur mit diesem Übertritt zeitweise auf Ablehnung.
Der muslimische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide ist der Überzeugung, Allah, der eine Gott und Schöpfer, sei ein Gott der Liebe und Nähe und nicht wie vielfach unterstellt ein ferner, strenger bzw. strafender Gott. Jesus werde als ein „Wort von Gott“ im Koran beschrieben. Somit seien christliches und islamisches Gottesbild durchaus vergleichbar, so Khorchide. Da jeder Mensch nach Auffassung der Muslime von Natur aus ein Muslim sei, solange er sich nicht bewusst gegen den Islam oder für eine andere Religion entscheide, brauche es neben dem Aussprechen des kurzen Glaubensbekenntnisses „Ich bekenne: Gott ist einer, und Mohammed sein Prophet“ keinerlei spezielle Tauf- oder Aufnahmeriten bzw. Einführungszeiten wie im Christentum. Die Pressesprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, selbst vom Christentum zum Islam konvertiert, betonte neben dem Prinzip des freien Willens in religiösen Angelegenheiten besonders die innere „Überzeugung des Herzens“ beim Übertritt zum Islam. Die Religionspsychologin Anna-Konstanze Schröder unterschied in diesem Zusammenhang zwischen „plötzlichen“ Konversionen durch besondere Erlebnisse à la Paulus und graduellen Konversionen als längeren Prozess.
Trend „multireligiöse Identitäten“
„Im Rahmen der Tagung wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass das Phänomen der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu mehreren religiösen Gemeinschaften (multireligiöse Identitäten) weltweit zunimmt“, berichtet Matthias Hohla. „Viele Japaner heiraten christlich und lassen sich beispielsweise mit buddhistischen Ritualen beerdigen. ‚Religiöse Virtuosen‘ fühlen sich in zentralen christlichen, hinduistischen oder buddhistischen Denk- und Spiritualitätsformen gleichermaßen beheimatet. Als Beispiel wäre hier die Salzburgerin Bettina Bäumer zu nennen.“
Foto: Matthias Hohla
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