Eine Kirche – offen für alle Menschen

SALZBURG (aai) / Wie sieht der gegenwärtige Umgang der Katholischen Kirche mit dem Verständnis von Geschlechtlichkeit aus? Welche kirchlichen und gesellschaftlichen Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen müssen gläubige Queere Menschen in unterschiedlichsten Ländern durchleben? Diesen Fragen spürt die Veranstaltungsreihe „Verschaff mir Recht“ nach.
Wanderausstellung „Verschaff mir Recht/Grant me justice“
Ab dem 27. November lässt die Wanderausstellung mit dem Titel „Verschaff mir Recht/Grant me justice“ zehn Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) zu Wort kommen. Sie berichten über ihre persönlichen Konflikterfahrungen mit Gesellschaft und Kirche in sechs afrikanischen Ländern, Brasilien, Indien und Russland. Die Portraits basieren auf Interviews, die im Rahmen der zweiten Versammlung des Global Network of Rainbow Catholics Ende 2017 in München-Dachau geführt wurden. Die Forderung der Protagonist*innen lautet: „Die Katholische Kirche muss sich gegen Gesetze aussprechen, die gegen die Achtung der Menschenwürde stehen und die Minderheiten unterdrücken,“ LGBTQIA* Personen einbegriffen.
In der Gesellschaft und im öffentlichen Leben sind Geschlechtervielfalt und sexuelle Orientierung ein immer präsenter werdendes Thema, besonders in den jüngeren Generationen. Als Merkmal gesellschaftlichen Wandels erfährt die offenere Beschäftigung mit der eigenen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität breitere Akzeptanz. Bisherige sexuelle Orientierungen, Geschlechternormen und –rollen werden dabei mehr und mehr hinterfragt. In vielen europäischen Ländern, so wie in Österreich, trauen sich LGBTQIA* - Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Inter- oder Asexual* Personen, aktuell rund 10% der österreichischen Bevölkerung, durch die steigende Akzeptanz ungezwungener über ihre geschlechtliche und sexuelle Orientierung zu sprechen und sie öffentlich zu zeigen. Gleichzeitig erstarken im weltweiten Vergleich sowie online gegenteilige Strömungen.
Ausgrenzung und Diskriminierung von LGBTQIA* Personen sind auch innerhalb der Kirche, konkret in Pfarren, immer noch ein Problem, das polarisiert. Viele Mitglieder der Kirche sind sich aber einig, dass Diskriminierung abzulehnen ist. Dies zeigt sich auch im weltweit geltenden Synodalen Prozess. Dass die Erzdiözese Salzburg mit der Plattform Regenbogenpastoral den Dialog nach innen und außen sucht, zeigt auf, dass die Vorstellung, eine Kirche für alle Gläubigen sein zu wollen, auch ernst genommen wird. Die Plattform möchte innerhalb der Kirche eine verantwortungsbewusste Anlaufstelle für die Anliegen von queeren Personen und ihren Angehörigen sein und spricht sich für LGBTQIA* Personen als selbstverständlicher Teil der Kirche und ihrer Gemeinden aus. Zivilgesellschaftlich versucht die Plattform mit Vertretungsorganisationen der LGBTQIA* Community zusammenzuarbeiten und im Dialog zu bleiben. Dies zeigt die Bedeutung der Menschenrechte, die auch innerhalb der Kirche gesehen wird.
Diese Annäherung soll dabei helfen, emotionale Verletzungen, die durch Ausgrenzung entstanden sind, zu heilen. Die geplante Ausstellung ist die erste öffentliche Veranstaltung der Plattform Regenbogenpastoral, die sie in Zusammenarbeit mit dem Afro-Asiatischen Institut, mit der Homosexuelleninitiative (HOSI Salzburg), Plan:g – Partnerschaft für globale Gesundheit, und der Katholischen Hochschulgemeinde durchführt. Conny Felice, Geschäftsführerin der HOSI Salzburg, begrüßt die aktuellen Öffnungsschritte der Erzdiözese Salzburg. „Die Bemühungen der Plattform sind sehr wichtig, um die Sensibilität für LGBTQIA* Personen in der Salzburger Gesellschaft auszuweiten und zu stärken.“ Für Conny Felice stehen Glaube und Sexualität keineswegs im Widerspruch, ganz im Gegenteil kann Glaube in der Selbstfindungsphase ein wichtiger Anker sein.
Christian Wallisch-Breitsching, Verwaltungsdirektor der Kollegienkirche und Universitätspfarre sowie Seelsorger der KHG, ist gemeinsam mit dem Afro-Asiatischen Institut Gastgeber der Ausstellung „Verschaff mir Recht“. Er engagiert sich schon seit langem für Homosexuelle in der Kirche und freut sich, dass nun auch institutionell erste konkrete Schritte gemacht wurden. Gerade in der praktischen Seelsorgearbeit stehen Mitarbeiter*innen der Kirche im direkten Kontakt mit Gläubigen und Angehörigen der LGBTQIA* Community. Daher ist es begrüßenswert, dass besonders im Bereich der Seelsorge, aber auch auf unterschiedlichen Ebenen der Erzdiözese eine kritische Selbstreflexion zum Thema Geschlechterverständnis und sexuelle Orientierung in der Gesellschaft im Gange ist.
Podiumsdiskussion zum Thema Katholische Kirche und Geschlecht
Je mehr Informationsarbeit stattfindet und je mehr Dialogräume von verschiedenen Teilen der Gesellschaft geschaffen werden, desto mehr steigt die Selbstverständlichkeit LGBTQIA* Personen als geschätzten Teil unseres alltäglichen Lebens zu sehen. Die Kollegienkirche als Gotteshaus für Kunst, Kultur, Erinnerung und ziviles Engagement im Herzen Salzburgs eignet sich hervorragend für die Ausstellung von „Verschaff mir Recht“. Am 27. November wird sie im Rahmen von „Ins Licht getaucht“, dem Gottesdienst zum ersten Advent, mit einführenden Worten von Christian Wallisch-Breitsching eröffnet. „Verschaff mir Recht“ wird bis zum 8. Jänner in der Kollegienkirche zu sehen sein. Am 30. November um 18 Uhr diskutieren Michael Brinkschröder, Mitbegründer des Global Network of Rainbow Catholics, Conny Felice, Geschäftsführerin der Homosexuellen Initiative (HOSI), Henrie Dennis, Obfrau von Afro Rainbow Austria und Lucia Greiner, Leiterin des Seelsorgeamts der Erzdiözese Salzburg in einem öffentlichen Podiumsgespräch zum Thema Katholische Kirche und Geschlecht.
Über das Afro-Asiatische Institut Salzburg:
Das Afro-Asiatische Institut ist eine Einrichtung der Erzdiözese Salzburg und Plattform für interkulturellen und interreligiösen Dialog und bietet ein breites entwicklungspolitisches Bildungs- und Kulturprogramm. Es unterstützt und fördert Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika durch Beratung, studienbegleitende Bildung und das Stipendienprogramm für eine Welt.
Weitere Informationen unter: www.aai-salzburg.at
"Verschaff mir Recht" - Ausstellung und Podiumsdiskussion
In 69 Ländern Afrikas, Asiens, der Karibik und des Pazifiks werden LGBTQIA* Personen noch immer kriminalisiert. Gleichgeschlechtliche Handlungen sind in einigen dieser Staaten strafbar. Die Strafen sind in den meisten Fällen Geldstrafen, in 42 Ländern gibt es gerichtliche Konsequenzen in Fällen freier Meinungsäußerung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. In 11 Ländern wird laut internationalen Beobachtungen aus dem Jahr 2020 sogar bei gleichgeschlechtlichem Sex die Todesstrafe verhängt.
Die Ausstellung Verschaff mir Recht / Grant me justice gibt in Deutscher und Englischer Sprache Einblicke in die Erfahrungen, die Betroffene in unterschiedlichen Ländern der Welt gemacht haben. Sie zeigt die persönlichen sowie gesellschaftlichen Kämpfe dieser Menschen, um zu sich selber zu finden, sie selber sein zu können, aber auch Akzeptanz dafür in ihrem breiteren gesellschaftlichen Umfeld zu finden.
Ausstellungseröffnung: 27. November 2022, 19 Uhr, im Rahmen von „Ins Licht getaucht“, dem Gottesdienst bei Kerzenlicht zum ersten Advent in der Kollegienkirche
Termin Podiumsgespräch: Mittwoch, 30. November 2022, 18 Uhr
Ausstellungzeitraum: 27. November 2022 bis 8. Jänner 2023, Mo-So 10-18 Uhr
Ort: Kollegienkirche, Universitätsplatz 1 (Ausstellung); Clubraum (AAI/KHG), Wiener-Philharmoniker-Gasse 2 (Podiumsgespräch)
Sprache: Deutsch und Englisch
In Kooperation mit: Plattform Regenbogenpastoral und Referat Weltkirche der Erzdiözese Salzburg, Katholische Hochschulgemeinde/Kollegienkirche, plan:g Partnerschaft für globale Gesundheit, Plattform für Menschenrechte Salzburg, HOSI Salzburg, Anti-Diskriminierungsstelle Salzburg
Die Ausstellung und das Podiumsgespräch finden im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen*Lesben*Inter*Trans* Personen statt.