Ein menschlicher Jesus auf dem Weg zum Kreuz

ERL (eds/Daniela Pfennig – 28. 5. 2019) / Mit einem Festgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner im Passionsspielhaus wurden am vergangenen Sonntag die Passionsspiele 2019 eröffnet. In seiner Predigt unterstrich der Erzbischof die Bedeutung dieser Spiele in unserer Zeit: „Euch ist für die nächsten Monate ein kostbares Thema anvertraut, das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus“, ermutigte er die Schauspielerinnen und Schauspieler. „Ihr zeigt nach altem Brauch die Passion Jesu Christi, ein großartiges Zeugnis über die Sinnhaftigkeit unseres Daseins über jede Professionalität, Zweckmäßigkeit und Funktionalität hinaus. … Beim Apostel Paulus lesen wir den Satz ,Den Tod o Herr, soll mich prägen.‘ Er konnte dies sagen, weil hinter diesem Tod etwas steht, das ich als die größte, nicht erwartbare Überraschung bezeichnen möchte: Die Auferstehung, der Sinn des Lebens“, so der Erzbischof.
Am frühen Nachmittag begann dann die erste Vorstellung vor 1.500 Zuschauern. Regisseur Markus Plattner klopfte dem neben ihm sitzenden Felix Mitterer, dessen Passionstext von 2013 wiederaufgenommen wurde, auf die Schulter. Die Spielenden vom Baby bis zu den Großeltern blicken in ein überwältigend volles Haus.
Wie schon bei der Jubiläumspassion gelang es dem Regisseur, aus einem Ensemble von 500 Erler Laiendarstellern eine neue, bedeutungsvollere Lesart mit weiterentwickelten Charakteren zu zeigen: „In diesem Jahr soll die Passion noch tiefer gehen“, formulierte der Regisseur sein Ziel für das Spieljahr 2019. Gelungen ist das zum Beispiel mit der Inszenierung des Kreuzweges.
Beeindruckender Kreuzweg
Die Erler begleiten einen sehr menschlichen Jesus auf seinem Weg zum Kreuz. Einen Mann, der seine Botschaft des Friedens verkündet, von Judas herausgefordert wird, liebt, leidet, zweifelt, mit seinem Schicksal hadert und dennoch seinem vorbestimmten Weg bis zum Ende treu bleibt. Die ausgeprägte Szenengestaltung des Kreuzweges lässt die Geschichte Jesu mit emotionalen Standbildern, die durch Musik und Lichteffekte betont werden, abwechseln. Diese schaffen es – gerade in der Wortlosigkeit – den Fokus auf die Blicke der Darsteller zu lenken. Eine Spannung, die tiefe Momente und Emotionen ausdrückt.
Zeitgemäß inszeniert
Die Präsenz und Stellung von Frauen steigert Plattner noch einmal. Den Beziehungen zur Mutter Jesus und zu Maria Magdalena wird viel – auch gefühlvoller – Raum gegeben. Maria Magdalena nennt Jesus sogar seine „Apostelin unter den Aposteln“. Er ermuntert sie, seinen Glauben zu leben und weiterzugeben und sagt ihr Schwierigkeiten voraus, weil sie eine Frau ist. Besonderes Augenmerk legt Plattner außerdem auf die Kinder: sie werden stärker eingebunden und sollen so tiefer in die Passionsspieltradition hineinwachsen.
Wie erwartet schlägt die Erler Passion viele Brücken zur Gegenwart: Beispielsweise erhält der antike Marktplatz Züge eines Börsenmarktes und wird das Abendmahl für einen größeren Kreis geweitet. Ganz besonders spürbar ist der Bezug zum Jetzt, wenn die Spielenden aus dem Volk auftreten oder schließlich der Auferstandene seinen Platz in der Menge der Zuschauenden findet.
Ein einfaches und reduziertes, aber effektvolles Bühnenbild und ein stimmungsreiches Lichtdesign komplettiert das Ganze ebenso wie die eigens komponierte Passionsmusik von Wolfram Wagner, die Chor und Orchester live präsentieren. Bei der Abnahme Jesu vom Kreuz wird bewusst auf die musikalische Untermalung verzichtet. So viel Stille tut in unserer schnelllebigen Zeit auch einmal gut. Und wenn genau in dieser Stille ein Handy klingelt, wird man aus dieser Passionswelt, in die man eingetaucht ist, gerissen. Auch ein Abbild unserer Zeit.
Starkes Schlussbild
Wie emotional die Erler sein können, zeigte das Schlussbild rund um eine Freudentränen weinende Maria-Darstellerin Barbara Maier und einen glücklichen, erleichterten Jesus-Darsteller Erwin Kronthaler, die die Premiere spielen durften. Das Schlussbild bekräftigte den modernen Volkstheatercharakter und die lebendige Gemeinschaft, als das Publikum stimmungsvoll ins „Großer Gott wir loben dich“ einstimmte.
Bis 5. Oktober bringen die Erler noch 31 Mal die Passion auf die Bühne – meistens samstags und sonntags. Informationen und Karten unter www.passionsspiele.at oder 05373/8139.
Foto 1: Erwin Kronthaler als Jesus mit seinem Kreuz auf dem Weg nach Golgatha.
Foto 2: EB Franz Lackner, em. EB Alois Kothgasser und der Abt von Stift Stams, German Erd, (v. r.) waren beeindruckt von den Passionsspielen in Erl.
Fotos: Erzdiözese Salzburg/Peter Kitzbichler Passionsspiele Erl 2019