Evangelienkommentar 32. Sonntag im Jahreskreis (Mk 12, 38–44)

(rb–7.11.2021) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Eduard Baumann, Vorsitzender der Berufsgemeinschaft der PastoralassistentInnen und TheologInnen, Leiter der Bibelwelt, Salzburg.

Die wahre Schriftgelehrte

Welches Verhalten kann vor Gottes Gericht bestehen? Das der Schriftgelehrten, die großtuerisch beten und doch den Witwen ihre Häuser „fressen“? Nein sagt Jesus und lobt dafür eine arme Witwe. Sie lebt Gottes Wort, unspektakulär und mit ganzem Herzen.

Jesus ist in Jerusalem eingezogen, hat den Tempel gereinigt und lehrt nun im Zentrum seines Glaubens eine große Menschenmenge. Seine prophetische Kritik gegenüber den religiösen Autoritäten wird beißender. Er reißt Wunden in die so selbstverständlich „guten“ Gewohnheiten des Jerusalemer Kultbetriebes und der sich zur Schau stellenden Schriftgelehrten. Überaus heftig kritisiert er die Würdenträger der Lehre und der Priesterschaft in ihrem von Menschen gemachten Heiligtum. 

Das Abbild der wirklichen Herrlichkeit Gottes wird verdunkelt, wenn Ehrensitze im Vordergrund stehen und das Recht der Witwen mit Füßen getreten wird.

Den Hochgeschätzten und Scheinheiligen droht Jesus das Gericht an. In dieser angespannten Situation rückt er ein Beispiel des Unscheinbaren und Einfachen in das Zentrum: Die arme Witwe, die am Rande der Gesellschaft steht, oft widerrechtlich noch ihrer letzten Habseligkeiten beraubt wird.

Sie gibt ohne viel Aufhebens zu machen all ihre Habe in den Opferkasten. Sie ehrt Gott im festen Vertrauen, dass er für alle Armen sorgt, also auch für ihr tägliches Brot. Sie ist das große Beispiel, nicht jene Reiche, die habgierig in die eigen Tasche wirtschaften und doch nur von ihrem Überfluss etwas abgeben. Die unbeachtete Witwe gibt stumm aus tiefstem Gottvertrauen. Sie lebt das Wort Gottes und ist so die wahre Schriftgelehrte. 

Jesu Kommentar gegenüber seinen Jüngern beginnt hart. Mit dem „Amen ich sage euch“ schlägt er quasi den Zuhörenden ins Gesicht, weil mit dem Aussprechen des „Amen“ ein bekräftigendes Abschließen verbunden ist. Da gibt es nichts mehr zum Diskutieren. Was brennt in Jesu so, dass er nicht mehr mit sich reden lässt? Warum schlägt er die Türe des Überzeugens und Gewinnens zu? Ist es das Gieren nach Größe, das heuchlerische Angeben im religiösen Gewand?

Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 44/2021) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.

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