Evangelienkommentar 30. Sonntag im Jahreskreis (Lk 18, 9–14)

(rb–23.10.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Sr. Emanuela Resch, Halleiner Schwester Franziskanerin, Pädagogin, Generaloberin der HSF 2003.

Bei Gott ist Gerechtigkeit

Im Evangelium führt Jesus uns zwei sehr gegensätzliche Männer vor Augen, die in den Tempel kommen, um zu beten. Der eine ist ein Pharisäer, ein Vertreter der gesellschaftlich-religiösen Elite, diszipliniert und gesetzestreu. Der andere ist ein Zöllner, der einer verachteten Gruppe angehört, die mit der Besatzungsmacht (den Römern) gemeinsame Sache macht und sich bei der Steuereintreibung selbst bereichert. Damit scheint alles klar zu sein. Wir haben es mit einem guten und einem schlechten Menschen zu tun.
Dann lässt Jesus uns an den Gebeten der beiden teilhaben und veranschaulicht damit, wie sehr wir irren können, wenn wir schnell ein Urteil fällen und unser Schubladendenken nicht hinterfragen.Im Gebet erweist sich der Pharisäer als selbstgerecht und überheblich. Dieses besteht darin, dass er zuerst sein tugendhaftes Verhalten vor Gott bringt und sich dann mit anderen Menschen wie Räubern und Betrügern vergleicht. Er be- und verurteilt diese Menschen und dankt dafür besser zu sein als die anderen.
Ganz anders betet der Zöllner: Er wendet sich an Gott, gesteht seine Schuld ein und bittet um Gnade. Er bleibt bei sich, stellt keine Vergleiche an und legt sein Schicksal vertrauensvoll in Gottes Hände. Denn er weiß, dass er Gott braucht.

Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, jener aber nicht.

Warum spricht Jesus von Gerechtigkeit? Was meint er damit, dass der eine gerecht sei, der andere nicht? Jesus will klarmachen, dass wir nicht gerecht sind, wenn wir die eigenen Leistungen und Vorzüge (auch aufgrund der günstigeren Lebensbedingungen) in den Vordergrund stellen und andere, die damit nicht Schritt halten können, abwerten und verurteilen. Dieses Verhalten zerstört langfristig die Solidarität zwischen den Menschen, denn es schürt Frustration, Neid und Eifersucht. Vor allem aber ignorieren wir damit, wie der Pharisäer, dass wir alle Beschenkte sind.
Wir werden den Menschen und uns selbst nur dann gerecht, wenn wir in dem Bewusstsein leben, dass alles Gelingen, all unsere Fähigkeiten nicht auf unserem eigenen Erfolgskonzept beruhen, sondern Geschenk und Gnade sind.

Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 42/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.

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