Evangelienkommentar 28. Sonntag im Jahreskreis (Lk 17, 11–19)
(rb–9.10.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Sr. Emanuela Resch, Halleiner Schwester Franziskanerin, Pädagogin, Generaloberin der HSF 2003.
Jesus, hab Erbarmen mit uns
Ist diese Bibelstelle nicht auch ein Abbild unserer Zeit? Große Bitten, Hilferufe, Forderungen werden oft rundum laut und auch an Jesus gerichtet. Die Erwartungshaltung ist groß, doch wonach haben wir wirklich Sehnsucht – nach Gott oder nach der Erfüllung unserer Wünsche – vielleicht sogar auf Kosten anderer oder anderem – Schöpfung, Klima, Ausbeutung des Lebens und der Menschen?
Zehn Aussätzige rufen: Jesus, Meister, habe Erbarmen mit uns! Er sieht sie, schickt sie auf den Weg, um sich den Priestern zu zeigen, und sie werden von ihrem Aussatz geheilt. Dann vergessen sie offenbar, wem sie die Heilung zu verdanken haben, und dass man sich für ein Geschenk bedankt.
Nur ein Fremder, von dem man es nicht erwartet, kehrt um und wendet sich Jesus lobend und dankend erneut zu. Nehmen die eigenen oder vertrauteren Menschen alles selbstverständlich, sind sie zu sehr ichzentriert, zu gedankenlos, haben sie das Staunen verlernt? Man kann auch auf das Danken vergessen, weil man nur an das denkt, was fehlt und dabei übersieht, was einem alles geschenkt wurde.
Dieser eine, der umkehrt, vollzieht eine tatsächliche Umkehr. Umkehr weiß um das Angewiesensein, braucht Demut, Einsicht und Dankbarkeit. So kann ich ehrlich danken und Gott die Ehre erweisen sowie die Würde jedes Menschen achten.
Herr, lass mich dankbar werden, damit das Herz sich weitet und öffnet für dein größeres Wort: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich heil gemacht.“
Erst im Anerkennen dessen, dass ich nichts aus mir allein kann und vermag, werde ich mich aus Dankbarkeit und Zufriedenheit an Gottes Zusage erinnern: „Seht ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Aus dieser Haltung heraus könnte das Jesusgebet zu einem Gebet im Alltag werden. Es ist eine kurze Anrufung, die die Gottheit Jesu bekennt und seine Barmherzigkeit erfleht, wie es die zehn Aussätzigen gemacht haben: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir! Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens!
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 40/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.