Evangelienkommentar 22. Sonntag im Jahreskreis (Lk 14, 1.7–14)
(rb–28.8.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Monika Mraz,
Pastorale Mitarbeiterin in Angath, Angerberg und Mariastein.
Der richtige Platz im Leben
Tischkärtchen sind eine wunderbare Erfindung. Wenn ich an einer großen Tafel einen Platz zugeteilt bekomme, ist das für mich eine Wohltat. Ich bin froh, dass sich über die Sitzordnung bereits jemand anderer Gedanken gemacht hat. So kann ich mich entspannt hinsetzen, feiern und erspare mir die Überlegungen: Wo darf ich sitzen? Ist der Platz angemessen für mich? Bin ich möglicherweise „fehl am Platz“? Gott sei Dank gibt es Tischkärtchen.
Aber oft hält das Leben Situationen parat, in denen mir keine Tischkärtchen sagen, wann und wo ich an der Reihe bin. Da heißt es dann, selbst abwägen, überlegen und entscheiden. Und diese Entscheidungen spricht Jesus im Evangelium an, wenn er davon erzählt, wie wir uns verhalten sollen: Dräng dich nicht vor und verzichte auf die besten Plätze! Setz dich auf den letzten, auf den ungemütlichsten Platz! Der Gastgeber wird kommen und dich näher an ihn heranbitten. Das ist um einiges besser und weniger peinlich, als von den Ehrenplätzen verjagt zu werden, weil sie nicht für dich gedacht sind. Einfach gesagt: Lass anderen den Vortritt, du kommst zur richtigen Zeit an die Reihe!
Aber einmal ganz ehrlich – denken wir uns nicht auch manchmal: „Das habe ich mir doch verdient. Das steht mir zu. Das lasse ich mir nicht nehmen.“
Wenn ich mich im Leben positioniere, dann habe ich doch eine Vorstellung davon, welchen Platz ich mir zugestehe. Und das ist mit Sicherheit nicht immer der letzte. Soll ich mich also selbst schlecht machen und verstecken?
Ich glaube, darum geht es Jesus nicht. Ganz im Gegenteil! Er will, dass wir unsere Talente und Charismen einsetzen. Die entscheidende Frage dabei ist: Mit welchem Kalkül und welchen Erwartungen tue ich das? Will ich möglichst viel Gegenleistung? Oder gebe ich das, was ich kann, auch wenn ich nichts dafür bekomme? So wie Jesus uns auffordert jene einzuladen, die nichts haben, um es einem zu vergelten. Wenn ich für Jesus einen Platz bereithalte und ihm genug Raum in meinem Herzen freihalte. Wenn ich mich dabei voll auf ihn einlasse und von ihm leiten lasse, ohne auf einen Gewinn zu spekulieren, dann finde ich ihn ganz gewiss: den richtigen Platz in meinem Leben.
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 33/34/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.