Evangelienkommentar 1. Fastensonntag (Lk 4, 1–13)
(rb–6.3.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Ernst Wageneder, Priester und Referent für Tourismuspastoral, Wallfahrts-und Missionarische Seelsorge.
Ein Recht auf Selbstverwirklichung?
Gute Werbeslogans wirken sich oft über Jahrzehnte aus. Schon Oscar Wilde formulierte: „Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht.“ Heutzutage ist eine Versuchung nicht unbedingt verwerflich. Sie hat sogar einen Reiz! Pfeif auf die political correctness! Geh deinen Sehnsüchten ungehemmt nach! Der Schokoladenhersteller Milka verwendet den Slogan: „Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“ und dazu noch: „Trau dich, zart zu sein“. Eine zeitgemäße und innovative Ansage an den Konsumenten, der nur schwer widerstehen kann! Das alles hat Auswirkungen auf unser Leben! In uns leuchtet das Bedürfnis nach Unabhängigkeit, Souveränität und Macht lichterloh und munter.
Der Vorschlag des Versuchers konzentriert sich auf den eloquenten und zarten Hinweis: „Verschaffe dir doch Wunderkraft zu eigenen Gunsten!“ Doch Jesus widersetzt sich dem Wunder, um sein eigenes Leben zu erleichtern. Selbst dem verführerischen Angebot, Macht auszuüben und Herrlichkeit zu genießen, widersetzt sich Jesus, da er nicht Macht ausüben will und keine Herrschaft aufbaut, bei der man ihm mit Kniefall huldigen muss. Eine solche weltliche Herrschaft ist für Jesus ein Verrat und ein Entfernen von Gott. Die abschließende Szene findet in Jerusalem statt. Jesus wird aufgefordert, im Vertrauen auf das Wort Gottes sich in die Tiefe zu stürzen! Jesus gibt eine abweisende Antwort. Wort gegen Wort und Haltung gegen Haltung.
Haben wir Mut zur Selbstkorrektur vor Gott und den Mitmenschen! Gott wird uns in seine Arme schließen und sein Lächeln wird uns immer wieder neu die Welt erschließen. Denn in der Welt ist Gottes Reich bereits angebrochen.
Durch das Leben Jesu wird uns Menschen gesagt, dass die Nähe zu Gott, sein Einstehen und sein Dasein keine Vergünstigung für unser Leben mit sich bringt. Unsere Weggemeinschaft mit Jesu Wort sagt uns, dass wir in Erinnerung an sein Kreuzesschicksal dazu reif werden müssen, den Weg der Herausforderungen anzunehmen. Unsere Kraft kommt jedoch aus der Zusage Gottes und aus der inneren Stärkung, die wir empfangen durch Jesu Lebensweg. Die Entscheidungen und Prüfungen des Lebens bleiben uns nicht erspart. Macht zu haben, bedient zu werden und satt zu sein sind keine Kennzeichen der Jüngerinnen und Jünger Jesu!
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 9/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.