Evangelienkommentar 33. Sonntag im Jahreskreis (Lk 21, 5–19)
(rb–13.11.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Stephan Richter, Religionslehrer am Gymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg-Liefering.
Fisch oder Fake?
Haben Sie einen Fisch auf Ihrem Auto? Ich meine den kleinen bunten Fisch-Sticker, der hinten am Kofferraum klebt und anderen VerkehrsteilnehmerInnen sagt: Die Person im Auto vor mir glaubt an Gott?! Auf unserem Auto klebt heute so ein Fisch, aber es war gar nicht so einfach, dass dieser Fisch auch wirklich dort kleben durfte…
Wieder ein neues Semester an der Uni: Neue Kurse, neue Themen – und neue Mitstudierende. Ein verhaltenes Hallo, belangloser Smalltalk, doch dann plötzlich diese Frage: Und, was studierst du so? Wer ein kombiniertes Theologiestudium hinter sich hat, kennt das folgende Dilemma vielleicht: Soll ich dieses Studium gleich erwähnen oder damit noch ein bisschen warten?
Warum sollte man nicht davon erzählen? Aus einem einfachen Grund: War man gerade noch ein netter Gesprächspartner, konnte sich das mit dem Hinweis aufs Theologiestudium schnell ändern: Dieses eine Wort schien derartige Eindrücke zu vermitteln, dass man schnell allein dastand. So probierte ich es aus: Bei Begegnungen zu faken und vom Theologiestudium erst einmal nichts zu erzählen.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch Jesus im heutigen Evangelium: Sogar […] eure Freunde werden euch ausliefern (V. 16) und ihr werdet um meines Namens Willen von allen gehasst werden (V. 17). Das kommt mir doch bekannt vor, denke ich mir.
Doch ein Vers fällt mir ins Auge: Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen (Lk 21,14).
Wer weiß, welche Gesprächsthemen ich damit zunichte gemacht habe, indem ich das Thema Religion erst einmal umschifft habe? Welche tiefgründige Begegnung habe ich vielleicht verhindert, weil ich meinen Glauben geheim gehalten habe? Mittlerweile ist es mir (fast) egal, wenn ich schief angeschaut werde, weil ich mich als Religionslehrer oute, denn die Gespräche, die ich trotz – oder gerade wegen – meiner Offenheit führen darf, sind umso wertvoller!
Und so war es dann nur mehr eine kleine Hürde, einen Fisch-Sticker zu kaufen und ihn auf die Kofferraumklappe zu kleben. Jetzt gehöre ich dazu: zu den Autofahrern mit Fisch – und zu den Christen sowieso. Faken muss ich jetzt nicht mehr, jetzt steh´ ich dazu – und habe als Zeichen dafür am Auto einen Fisch!
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 45/2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.