Evangelienkommentar 27. Sonntag im Jahreskreis (Mt 21, 33–42.44.43)
(rb–4.10.2020) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Elisabeth Müller, Pastoralassistentin in Bürmoos und St. Georgen bei Salzburg.
Totschlag im Weinberg
Brutal und dramatisch ist das Gleichnis Jesu von den Winzern im Weinberg. Es fasst wie in einem Brennpunkt die tausendjährige Geschichte Gottes mit den Führern seines Volkes zusammen. Ein Gutsbesitzer errichtet einen Weinberg. Weil er jedoch in ein anderes Land reist, überlässt er diesen fremden Pächtern. Als er zur Zeit der Ernte zuerst in zwei Delegationen seine Knechte und schließlich seinen Sohn um die Früchte schickt, werden diese malträtiert und ermordet. Wie kann es zu einem solch grausamen Gewaltausbruch kommen? Was steht hier im Hintergrund?
Es fällt auf, dass zwischen den Gesandtschaften und den Winzern kein einziges Wort gewechselt wird. Die Pächter verschließen sich. Untereinander sprechen sie wohl, schmieden sie Pläne und sind in ihrem Handeln eins. Mit den Knechten des Gutsbesitzers lassen sie sich aber auf keine Diskussion ein. Obwohl sie dem Gutsherrn ihre Existenzgrundlage verdanken, wollen sie mit seinen Dienern keine Beziehung aufbauen, geschweige denn mit seinem Sohn. Obwohl sie diesen zwar „sehen“, ihn gleichsam von Angesicht zu Angesicht wahrnehmen, lassen sie keine echte Begegnung zu. Im Gegenteil, kaltblütig schlagen sie ihn tot.
Darüber hinaus lässt ein knappes Gespräch zwischen den Winzern untereinander die Motivation für ihre Meuchelmorde erahnen. Als sie nämlich den Sohn sehen und in ihm den Erben erkennen, beschließen sie, den Weinberg in ihren Besitz zu bringen, indem sie ihn beseitigen. Habgier ist der Motor ihres Handelns, die Gier nach Besitz die Motivation zum Mord.
Die Pächter verschließen sich vor dem anderen, sie verweigern den Aufbau einer guten Beziehung. Öffnen wir uns für die Anliegen des anderen?
Gestörte Beziehungen mit einer hohen Gewaltbereitschaft und/oder Habgier sind optimale Voraussetzungen für die Zersetzung der Gesellschaft. Im Blick auf unsere gegenwärtige Lage ist dieses Gleichnis Jesu meines Erachtens eine tiefgründige Warnung an jeden von uns. Wie verhalten wir uns in dieser Coronakrise? Bleiben wir im Gespräch mit jenen, die sich mit den vielen Einschränkungen der persönlichen Freiheit schwer tun und diese in Frage stellen? Mich stimmt es nachdenklich, wenn Beratergremien hochkarätige Fachleute ausschließen, die eine andere Meinung vertreten, oder wenn medial Demonstranten ohne echte Sachdiskussion mit dem Etikett „Verschwörungstheoretiker“ belegt werden. Wer sind die Gewinner der Krise, die sich auf Kosten anderer bereichern?
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 40/2020) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.