Evangelienkommentar 30. Sonntag im Jahreskreis (Mt 22, 34–40)

(rb–25.10.2020) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Elisabeth Müller, Pastoralassistentin in Bürmoos und St. Georgen bei Salzburg.

Die Aufgabe unseres Lebens

Die Liebe. Vielfach besungen. Oftmals idealisiert und verklärt. Häufig verabsäumt. Wie geht lieben? Und: Was ist Liebe? Interessanterweise kennt die griechische Sprache drei verschiedene Wörter dafür, die jeweils einen besonderen Akzent ins Licht rücken: Eros steht für die ekstatische, Mann und Frau überwältigende Liebestrunkenheit, Philia für die gegenseitige Sympathie und die Liebe zwischen Freunden sowie Agape für die selbstlose Hingabe. Dieses dritte und letzte Wort, im antiken Griechisch selten gebraucht, wird zum häufigsten Begriff für Liebe im Alten und Neuen Testament. Auch Jesus verwendet diesen Ausdruck, wenn er auf die Frage eines Pharisäers nach dem wichtigsten Gebot im Gesetz (gemeint ist das Gesetz des Mose mit seinen vielen Einzelgeboten und Kultvorschriften) mit dem berühmten Doppelgebot der Liebe antwortet. Aber was bedeutet Agape eigentlich? Es meint die Haltung, die den anderen anerkennt wie er ist, ihn um seiner selbst willen wertschätzt, von Herzen bejaht und sich für ihn einsetzt. Agape akzentuiert das bedingungslose „Dasein für“.

Echte Liebe ist bedingungslos, wertschätzend, bejahend.

Indem Jesus das doppelte Liebesgebot als Zusammenfassung des gesamten mosaischen Gesetzes versteht, übernimmt er den jüdischen Glauben in seiner zentralsten Forderung, der Liebe – zu Gott als auch zum Nächsten und zu sich selbst. Dabei bleibt die Forderung Jesu keine leere und inhaltslose Formel. Er löst sie mit seinem Leben ein. Bis zum letzten Atemzug ist seine Existenz liebende Hingabe an den Vater im Himmel und Hinwendung zu seinen Mitmenschen. Jesus ist in seiner Person die fleischgewordene Liebe. Und: Gerade weil Gott uns in Jesus zuerst geliebt hat, können auch wir lieben.

Im Blick auf unsere Zeit ist dieses Liebesgebot eine radikale Anfrage an unsere Gesellschaft, ja letztlich an uns selbst und unser Verhalten. Ist es nicht ein Nein zu einer Spaß- und Genussmentalität, die den anderen zu einem Objekt der Begierde degradiert? Offenbart es nicht die Gottvergessenheit unserer Kultur, die der eigenen Kraft und Stärke mehr vertraut als der liebenden Führung von oben? Zeigt uns die Coronakrise nicht allzu deutlich, wie schnell Selbstverständlichkeiten schwinden und der Boden unter unseren Füßen wanken kann? Nützen wir das Jetzt, um der Liebe bewusst Raum zu geben: trotz Abstand, Maske und Kontaktbeschränkungen.

 

Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 43/2020) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.

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