Evangelienkommentar 16. Sonntag im Jahreskreis (Mt 13, 24–43)
(rb–19.7.2020) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Br. Benedikt Maria Hödlmoser, Seelsorger und Gästebruder im Europakloster Gut Aich.
Geduld und Unterscheidung
Der ägyptische Mönch Pachomius (+348) sagte einmal: Wenn du Gott begegnen willst, dann musst du in den Garten gehen. Der Garten lehrt uns die Grundzüge menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Er will uns veranschaulichen, wie Leben gelingen oder misslingen kann. Er will uns zeigen, unter welchen Bedingungen Leben ermöglicht werden kann. Der Garten ist, wie schon im Schöpfungsbericht deutlich wird, Ort der Gottesgegenwart und der Gottesbegegnung.
Wenn Jesus lehrt, nimmt er des Öfteren Bezug auf die Schöpfung, so auch in den Gleichnissen dieses Sonntags. Mit dem Bild vom Weizenfeld will er den Menschen die Bedeutung des Himmelreiches veranschaulichen: Das Himmelreich will – gleich dem Weizenfeld und dem Senfbaum – wachsen und sich ausbreiten. Alles Geschaffene beginnt im Kleinen, Verborgenen und Unscheinbaren.
Die unmittelbare Heilsgeschichte zwischen Gott und den Menschen beginnt
auch im Kleinen, mit dem göttlichen Kind im Stall von Bethlehem. Auch den Anfang der Kirche bildet ein kleiner Kreis von Menschen, die Jesus nachfolgen. Bei all dem ist es eine Frage der Zeit, wann, wo und wie das Kleine seine Heils-Wirkung zeigen wird. Der Ausbreitung des Reiches Gottes wohnt eine Eigendynamik inne: Es will sich ausbreiten und für den Gott suchenden Menschen zur Beheimatung werden, was mit dem Bild der nistenden Vögel im Senfbaum veranschaulicht wird.
Himmelreich steht für Gottes Gegenwart und Gottes Wirken im Menschen und unter den Menschen auf der ganzen Welt.
Mit der Ausbreitung des Reiches Gottes geht aber auch die Erfahrung einher, dass das Leben in Frieden und Freiheit immer wieder gefährdet und bedroht ist. Alles Leben ist verletzbar und auch zerstörbar. Allein die Tatsache, dass das Unkraut im Weizenfeld überhand nimmt, scheint bedrohlich zu sein. Die Un-kräuter der Angst, der Missgunst und des Streits – kurz, alle Arten von Lieblosigkeiten und Widerwärtigkeiten im Alltag – sollen uns nach Jesu Worten nicht beunruhigen.
Jesus mahnt zu Geduld und zur Unterscheidung mit der Frage: Was fördert mein Leben und das Leben meiner Mitmenschen? Was behindert dasselbe? Unsere Aufgabe ist es, Gutes von Bösem zu unterscheiden. Gottes Aufgabe ist es, am Ende der Zeiten zu entscheiden, den Weizen vom Unkraut zu trennen.
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 29/2020) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.