Adventempfang bei Bundesministerin Susanne Raab 2025
Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Eminenz, hochwürdigster Herr Nuntius, Exzellenzen, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften, geschätzte Damen und Herren!
Einmal mehr darf ich mich herzlich für die Einladung und dieses Beisammensein in adventlicher Zeit bedanken. Es sind durchaus bewegte Tage, in denen es gewiss vielen nicht leichtfällt, sich auf eine „stille Zeit“, wie es heißt, wirklich einzulassen. Umso mehr hoffe ich, dass unsere Begegnung hier nicht spurlos an uns vorübergeht, sondern dass wir ein kleines Stück Hoffnung bewahren können.
In der Heiligen Schrift ist von der Hoffnung an etlichen Stellen die Rede, sei es im Alten oder im Neuen Testament. Hoffnung ist das zentrale Motiv, aus dem heraus Israel den Retter erwartet, Hoffnung ist eine der drei göttlichen Tugenden, die uns der Apostel Paulus mahnend vorstellt. Von Abraham heißt es, er habe „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung geglaubt“.
In der heutigen Zeit aber ist „Hoffnung“ kein Begriff mit guter Reputation. Sie wird vielfach als etwas altbacken verstanden – besser wäre es, hat man mir gesagt, von „Zuversicht“ oder „Optimismus“ zu sprechen. Dagegen erhebe ich immer wieder meine Stimme. Mit Byung-Chul Han möchte ich dagegenhalten: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“
Ich möchte dies an einem Beispiel aus meiner Kindheit veranschaulichen. Ich stamme aus einer kleinbäuerlichen Familie, wir hatten zwei Kühe, mit denen wir aufs Feld fuhren. Eines Morgens brach eine der Kühe tot zusammen – ein schwerer Schlag für uns, sowohl wirtschaftlich als auch emotional, denn wir Kinder hatten die Kühe gern. Ich erinnere mich, dass wir mit unserer Mutter in der Küche beteten, und meine Mutter sagte nur, mitten in diese Ohnmacht hinein: „Wer weiß, wozu das gut ist.“ Das meint Hoffnung – gerade wider alle Hoffnung doch hoffen, sperare contra spem, und darauf vertrauen, dass dem Geschehenen und Geschehenden ein Sinn innewohnt.
Dieses Vertrauen auf den immanenten Sinn übersteigt das rein Diesseitige, es führt über den Menschen hinaus in das Transzendente. Eben jenes ist jedoch in unserer Zeit weitgehend aus dem Bewusstsein geschwunden und ist einer rein säkularen Sicht auf die Dinge gewichen. Charles Taylor weist in seinem Monumentalwerk „Ein säkulares Zeitalter“ auf diesen besonderen Umstand hin, nämlich dass der Mensch in nur wenigen Jahrhunderten das zuvor seit ältesten Tagen direktive Gespür für das Transzendente weitgehend hinter sich gelassen zu haben scheint.
In einer solchen Welt, die allein aus dem Moment und dem Diesseitigen heraus gesehen wird, ist es mit der Hoffnung nicht weit her. Wir blicken um uns und sehen Krieg, Not und Zerstörung. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine geht mit voller Härte weiter, die Gewaltspirale dreht sich unaufhörlich. In Gaza fordert der durch den Terror der Hamas entfesselte Krieg immer neue Opfer; wie es im nun völlig orientierungslosen Syrien weitergehen mag, besonders auch für die dort lebenden Christgläubigen, vermag niemand einzuschätzen. Auch politisch und gesellschaftlich bestehen die Risse weiter, während wir immer neue Extreme des Weltklimas beobachten. Mit der Hoffnung schwindet auch die Sinnhaftigkeit. Wir neigen zum Nihilismus und fragen uns zunehmend: Wozu das alles? Welche Welt werden wir künftigen Generationen hinterlassen können? Kürzlich habe ich gehört, dass viele junge Menschen in diese von ihnen so trostlos erlebte Welt keine Kinder mehr setzen wollen.
Gewiss hat das Säkulare, so vertrete ich es auch immer wieder, nicht nur Negatives an sich. Ihm entspringen die Menschenrechte, die sich auch aus dem jüdisch-christlichen Personenverständnis speisen. Durch die Säkularität ist die freie Glaubensausübung sowohl garantiert als auch von der gesellschaftlichen Konvention zur persönlich-überlegten Entscheidung geworden. Doch, wie Habermas es sagt: „Die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere.“
Als Religionsgemeinschaften sind wir hier gefordert. Hoffnung ist uns allen eingeschrieben. Sie hat – einmal mehr zitiere ich Byung-Chul Han – „eine Weite. Sie stiftet ein Wir. Darin unterscheidet sie sich vom Wunsch oder von bloßer Erwartung.“ Ohne Hoffnung stürzen wir auf unser eigenes Niveau. Weihnachten lenkt unseren den Blick auf jenes starke Bild der Hoffnung, das Bild des Kindes in Bethlehem. Selbst der große Religionskritiker Friedrich Nietzsche gesteht: Im Bild des Kindes, das uns geboren ist, liegt Hoffnung. Wir dürfen sie gerade dieser unserer Welt nicht vorenthalten. Sie ist das zarte, zerbrechliche und doch so wirksame Fundament für unser Wirken, zur Ehre Gottes und zum Frieden unter den Menschen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!