Stadtfest der Volkskultur & Fahnenweihe
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst!
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin; Herr Bürgermeister, Herr Bürgermeister-Stellvertreter!
Ich grüße alle Abordnungen der Salzburger Volkskultur mit ihren Obleuten!
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich darf mit einer Erfahrung beginnen. Seit über zehn Jahren darf ich hier in diesem schönen Land das Amt des Bischofs ausüben. Ich habe in dieser Zeit an die 150 Pfarreien besucht, viele Gespräche geführt, Einrichtungen besucht, überall auch die Kinder gesegnet – ein besonders schöner Moment jeder Visitation. Höhepunkt bleibt jedoch immer der Empfang, wo alles, was eine Pfarre aufzubieten hat, versammelt ist. Die Vereine, die politischen und kirchlichen Verantwortungsträger, auch die Kinder bekommen dort stets ihren Auftritt; herausragend jedoch die Schützen und die Musikkapellen. Ich habe noch keine Pfarrgemeinde erlebt, die keine Musikkapelle aufzuweisen hatte. Das ist ein hohes Kulturgut. Ich bedanke mich auch immer für die Empfänge. Es geht dabei ja um mehr als um eine Behübschung von gewissen Anlässen, sondern zeigt, wie man große Ereignisse anfängt oder auch beendet.
Das Begräbnis unseres verehrten Erzbischofs Alois wurde weit über unsere Grenzen hinaus wahrgenommen. Da hat sich eine ganze Diözese mit all ihren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten von ihrem Bischof verabschiedet. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals herzlich für die würdig schön gestaltete Begräbnisfeierlichkeiten unseres Erzbischofs Alois Kothgasser bedanken.
Ich komme zurück zum Thema der Visitation. Die Empfänge münden in die feierliche Prozession in die Kirche; an der Kirchtüre teilt sich die Gesellschaft etwas auf, aber die Kirchen sind zu solchen Anlässen immer noch voll. Ein buntes Bild, mit den Fahnen aufgestellt um den Altar. Zu diesem feierlichen Anlass wird heute die Fahne für den Gauverband der Heimatvereinigungen der Stadt Salzburg geweiht.
Brauchtum hat eine sehr identitätsstiftende Kraft. Es rekurriert auf ursprüngliche wie auch dramatische Ereignisse in der langen und wechselvollen Geschichte eines Landes. Daran zu erinnern, daraus die richtigen Lehren zu ziehen, ist Aufgabe des Brauchtums. Das aus der Philosophie stammende Dictum „Herkunft schafft Zukunft“ könnte im Brauchtum seinen Sitz im Leben haben.
Kirchliches Brauchtum wird im theologischen Idealfall Ritual genannt. Die Kirche denkt rückwärtsgewendet bekanntlich in Jahrhunderten; demnach hat sich die Einsicht durchgesetzt, man solle keinem Ritual trauen, das jünger ist als 500 Jahre.
Nun sind wir endgültig in der Kirche angekommen. So möchte ausgehend vom Evangelium des heutigen Sonntags einen Gedanken zum Brauchtum dazulegen. Wie es meine Art ist, werde ich sogleich wieder in die Philosophie ausweichen. Der spanische Philosoph Miguel Onamuno hat eine sehr bedenkenswerte Geschichte verfasst, sie heißt „San Manuel Bueno, Märtyrer“. Ein Dorfpfarrer, der doch mit einiger Hingabe seinen Dienst in seiner Pfarre tut, kommt nach längerer Zeit dahinter, dass die Menschen zu gewissen Anlässen zwar kirchliche Zuwendung wollen, aber nicht wirklich an dem, was der tiefere Grund kirchlichen Wirkens ist, interessiert sind. Sie wollen das Ritual gleichsam ohne Inhalt. Der Priester bemerkt das nicht nur, sondern er muss feststellen, dass sich selbst in ihm diese Haltung eingeschlichen hat. Eigentlich glaubt auch er nicht mehr an einen tieferen Sinn dessen, was in der Kirche gefeiert wird. Schon wollte er seinen Beruf aufgeben, aber er tut es nicht, weil er sich allein auf das Rituelle besinnt. Ich biete – so sagte er sich – bloß diese Rituale an; mehr wird nicht gewollt und mehr kann ich auch geben.
Heute begegnet uns eine solche Haltung vielerorts in großem Stil. Man kann sich heute eine Liturgie aus exklusiv persönlichen, individuell-individualistischen Ansprüchen maßschneidern lassen.
Hier liegt in der Tat eine Gefahr verborgen: Dass rituelle Praxis – und gleiches könnte auch für das Brauchtum gelten – zum Selbstläufer wird; dass die Äußerlichkeit auf Kosten der Innerlichkeit dominiert. Dagegen mag ein Blick auf die Frau im Evangelium heute helfen. Ihr war in großer Not der tiefe Glaube gewachsen: Wenn ich auch nur den Saum des Gewandes von Jesus berühre, werde ich gesund. Und es gelang ihr in der Masse, die Jesus umgab, von hinten an ihn herzukommen, um sein Kleid zu berühren. Und Jesus, obwohl von einer Masse Menschen umdrängt, spürte diese sehnsuchtsvolle Berührung der kranken Frau. Die Jünger um ihn herum konnten das nicht verstehen: Der Herr wurde von vielen berührt, geradezu bedrängt, aber von dieser einen Person stammte die Berührung aus sehnsuchtsvoller Absicht.
Liebe Schwestern und Brüder, darauf kommt es an. Es reicht nicht aus, nur das Richtige gemeinsam zu tun; dieses mag für den Augenblick vielleicht genügen, jedoch auf Dauer ist es zu wenig; da braucht es zudem eine ehrliche und persönliche gute Absicht. Hierbei sind sowohl der Einzelne wie auch alle öffentlichen Institutionen in Gesellschaft und Kirche gefordert.
Das Beispiel der Frau bezeugt: der Glaube hilft!
Amen!