Osternacht
Schwestern und Brüder!
In dieser Heiligen Nacht zieht die Liturgie der Kirche alle Register. Alle Sinne werden mobilisiert, die besten Geisteskräfte gilt es zu wecken, man möchte feiernd nachempfinden, was sich im Schutz jener Nacht in einer Grabhöhle nahe der Hinrichtungsstätte Golgotha ereignet hat, von der der uralte Hymnus seit den ersten Jahrhunderten unseres Glauben bis in die heutige Nacht hinein zu künden vermag: „Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: Die Nacht wird hell wie der Tag.“ In diesem Osterlob, genannt Exsultet, kulminiert die Lichtfeier, beginnend mit der Segnung des Feuers und dem Entzünden der Osterkerze; indes in der finsteren Kirche die Versammlung schweigend wartet, bis der Diakon unter dreimaligem Rufen „Lumen Christi“, Christus das Licht, die Kirche betritt und das Licht weitergegeben wird. Noch ein Wort zu diesem wunderbaren Exsultet. Mozart, der in dieser Kirche getauft wurde und gewiss die Auferstehungsfeier hier miterlebt hat, sagt über dieses Osterlob: „Ich würde alle meine Werke hergeben, um nur sagen zu können, ich hätte die erste Zeile vom Exsultet geschrieben.“
Was war es, was weit über tausend Jahre vor Mozart so sehr ins Klingen drängte, dass er es mit dem ganzen Oeuvre seiner musikalischen Tätigkeit eintauschen wollte? In dieser Nacht wird es uns kundgetan. Nach dieser feurigen Licht- und Lobesfeier wird uns der Tisch des Wortes gedeckt. Wollten wir alle Lesungen vortragen, dann wären es insgesamt neun. Diese sprechen von der Schöpfung. Dass Gott – wie sonst nirgendwo in dem uns bekannten Universum– das einmalig einzigartige Projekt gestartet hat. Und wie Gott zum Menschen in seinem Auf und Ab, wie Sünde, Abfall, Sklavenschaft, Umkehr mit flehenden Bittgesuchen, steht. Am Ende dieser Liebes- und Lebensbemühung steht Auferstehung. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, Er ist auferstanden.“ Frauen sind es, nicht die religiöse Oberschicht, auch nicht seine Apostel, die als erste diese umwerfende Botschaft von der Auferstehung vernehmen. Nicht ihr theologisches Wissen, nicht ihre besondere Autorität in der Gesellschaft damals, sondern – wie ich meine – allein ihre Sehnsucht. In aller Frühe gehen sie zum Grab, um ihren Herrn einen letzten Dienst zu erweisen. Sie wissen auch, das Grab ist von einem großen, für sie unbeweglichen Stein, verschlossen, aber entgegen jeglicher Logik und praktischer Einsicht gehen sie weiter. Und dort machen sie die umwerfende Erfahrung: „Er ist nicht hier, … er ist auferstanden.“ Sie erzählten es den Aposteln, die halten ihre Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht.
Liebe Schwestern und Brüder, da sind wir nun auch angekommen: Geschwätz und Unglauben. Man nennt es vielleicht etwas anders oder ignoriert diese gewaltig schöne Großtat Gottes gänzlich. Vielmehr herrscht heute weithin eine Auferstehungsmüdigkeit vor: „Was, das soll noch weitergehen?“, hörte ich einmal jemand sagen. Hier spricht die Sattheit. Das Leben wird nicht als Gabe gesehen, ansonsten würde man mit einem Geschenk nicht so umspringen. Das geschieht allerdings tagtäglich. Kürzlich stand in einer Zeitung zu lesen, wenn das Leben nicht mehr hält, was man sich erwartet, „dann gebe ich mir die Euthanasie“. Da wird nicht einmal mehr von Geschwätz geredet. Die Sache hat sich von selbst erledigt.
Dem wollen und sollen wir nicht erliegen, uns hingegen fragen, wohin wir hörend werden müssen, um die Botschaft der Auferstehung zu vernehmen?
Der Hl. Bonaventura hat am Berg La Verna – dieser wird das Golgotha der Franziskaner genannt, weil Franziskus dort die Wundmale Jesu empfangen hat - in einer ausgesetzten Einsiedelei ein kleines Büchlein geschrieben, „Die Reise der Seele zu Gott“. Die geht über Stufen hinauf bis zum letzten Schritt, der Überschritt in das Geheimnis Gottes. Dazu gibt Bonaventura eine letzte Anweisung:
„Wenn du wissen willst, auf welche Weise das geschieht, dann frage die Gnade, nicht die Lehre, die Sehnsucht, nicht den Intellekt, das Seufzen des Gebetes, nicht das Studium, den Bräutigam nicht den Lehrer; frage Gott und nicht die Menschen.“
Mit dem Glauben an die Auferstehung betreten wir heiligen Boden. So wie wir am Beginn der Feier, die finstere Kirche mit der Osterkirche betreten haben, so sollen wir unsere finster gewordene Welt mit dem Licht Christi betreten und bekennen: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden.
Amen.