Aschermittwoch
Das liturgische Feiern der Kirche im Jahreslauf kennt zwei Vorbereitungszeiten – einerseits den Advent, wenn wir uns auf das Ankommen Gottes bei uns Menschen einstimmen, und die österliche Bußzeit; beide Male handelt es sich um eine Zeit des Fastens, im Sinne des Sich-Zurücknehmens.
Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch durch die Auflegung von Asche auf unser Haupt. Dazu werden zwei Deuteworte gesprochen. Das erste lautet: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Hier werden wir radikal auf unsere Endlichkeit verwiesen; unser Leben hat ein Ende. Bei diesem Spruch muss ich stets an das Begräbnisritual denken, wenn der Priester oder Begräbnisleiter Erde auf den Sarg streut und betet: „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“
Im zweiten Wort aber begegnet uns die Frohe Botschaft: „Der Herr wird dich auferwecken.“ Darum geht es, liebe Schwestern und Brüder, in der österlichen Bußzeit: Um die Auferweckung unserer Sterblichkeit durch den, der selbst auferweckt wurde am dritten Tage. Wir schwinden nicht einfach, wir lösen uns auch nicht in ein absolutes Nichts auf – obwohl uns der Zeitgeist es manchmal suggeriert. Wir leben in einer Zeit, in der alles gleich ist, gleich gültig ist, wo der Nihilismus mit dem Sein auf gleiche Ebene gestellt wird. Uns aber steht eine zweite Geburt bevor, der Geburt in den Himmel! Dieses Ziel dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren! Diese Gefahr ist groß in unserer Zeit.
Der zweite Deutespruch lautet „Bekehre dich und glaube an das Evangelium.“ Diese Worte nehmen Maß an den ersten Worten Jesu während seines öffentlichen Wirkens. Er ruft zur Umkehr auf; das tat vor ihm schon wortgewaltig Johannes der Täufer. Der Unterschied zwischen den beiden Umkehrrufen liegt in der Motivation. Johannes droht – „schon ist die Axt an die Wurzel gelegt“ – und spricht vom Zorngericht Gottes; Jesus hingegen wirbt in seiner Umkehrpredigt mit dem „Nahegekommen-Sein des Reiches Gottes“, oder wie es im Evangelium aus Markus heißt, aus dem eben jene Worte aus dem Aschenritus entnommen sind: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Gott ist uns immer dort nahe, wo wir uns bekehren.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist die Höhe christlichen Glaubens; dieses Niveau müssen wir halten. Wir glauben, weil wir berührt sind von unserem Schöpfergott, der uns aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat; wir glauben auch, weil die persönliche Begegnung mit dem Gott unserer Erlösung noch aussteht. Dafür bürgt das ganze Heilswirken unseres Herrn Jesu Christi. Das so genannte christliche Abendland läuft Gefahr und ist vielfach schon dahingekommen, die Sehnsucht nach dieser frohmachenden Botschaft des Evangeliums zu verlieren. Jemand hat einmal gesagt, man habe aus der „Frohbotschaft“ eine „Drohbotschaft“ gemacht – für unsere Zeit aber gilt: Sie ist zu einer „Nullbotschaft“ gemacht worden. Alles ist gleich, es darf keine Unterschiede mehr geben.
Um dem entgegenzuwirken, liebe Schwestern und Brüder, braucht es ständige Umkehr, Bekehrung, eine Änderung unseres Denkens und Glaubens – metanoeite, wie es im Griechischen heißt, „denkt um, bekehrt euch!“. Ganz so, wie es Augustinus formuliert hat: „Geh in dich, und du wirst Gott finden – und du wirst dich finden.“
Dazu ist die österliche Bußzeit da, Einkehr, Besinnung zu halten, in uns zu gehen, still zu werden, zurückzutreten, um uns auf die Begegnung mit dem Auferstandenen im österlichen Geheimnis in rechter Weise vorzubereiten. Und darum wird sie mit Recht eine Gnadenzeit genannt.