„Wir haben vieles gemeinsam“

RB: Warum braucht es ein Buch, das die religiösen Feste und Bräuche in Österreich auflistet?
Ulrike Kammerhofer-Aggermann: Zusammenleben scheitert oft an kleinen Kommunikationsproblemen und Klischees. Im Land Salzburg leben derzeit Menschen aus 150 Nationen mit 30 verschiedenen Religionen bzw. Bekenntnissen. Religionen prägen wesentlich die Kulturen und damit auch, wie sich Menschen verhalten. Im Alltag treffen diese religiös und kulturell geprägten Verhaltensweisen aufeinander.
Oft wird das Unbekannte von Menschen als „fremd“, als „befremdend“ empfunden. Dann genügen Missverständnisse oder unbedachte Parolen, dass daraus Unbehagen und Angst entstehen kann. Ich erinnere mich daran, dass ich in der Zeit des Jugoslawienkriegs öfters mit meiner dreijährigen Tochter im Park war. Einmal hat sie einem bosnischen Mädchen einen Krampus aus Teig geschenkt. Die Oma der Kleinen hat gezetert und den Krampus zu Boden geworfen. Aufgeklärt hat sich das erst später: Sie hatte gedacht, dass wir dem Mädchen etwas Böses wollten.
Gerade in Zeiten vermehrter Migration entsteht auf beiden Seiten dieser Stress der Verunsicherung durch Unbekanntes. Daher halten wir es für notwendig, über „das Andere“ zu informieren und damit Dialoge zu fördern. Daraus kann die Erkenntnis erwachsen, dass andere Verhaltensweisen und Religionen nicht bedrohlich, sondern nur anders sind.
RB: Was ist die Voraussetzung für den Dialog der Religionen im Alltag?
Kammerhofer-Aggermann: Selbstsicherheit aus der Verankerung im „Eigenen“ – dann kann ein respektvolles Zusammenleben gelingen. Es geht dabei ja nicht um Missionierung oder Angleichung, sondern um eine positive Akzeptanz oder zumindest um toleranten Respekt vor dem anderen. Auch das senkt die Angst, die eigene Kultur oder Religion aufgeben zu müssen.
RB: Welche Bedeutung haben Feste und Feiertage für die Menschen?
Kammerhofer-Aggermann: In Österreich gibt es 14 gesetzliche Feiertage; davon gehen zwölf auf christliche, speziell katholische Feste zurück. Sie strukturieren das Jahr und den persönlichen Lebenslauf der Menschen durch Zäsuren, Eindrücke und Erinnerungen. Feste machen Zeit wahrnehmbar und erinnerbar.
Einige der Feiertage gehen mit Ritualen und Bräuchen auch in die Öffentlichkeit: z. B. mit Glockenläuten, dem Weihnachtsschießen, dem Osterfeuer oder der Fronleichnamsprozession. In einer pluralistischen Gesellschaft, einer Gesellschaft der vielen und Verschiedenen, ist es wichtig, jenen Menschen, die aus anderen Kulturen oder auch nur von der Stadt aufs Land kommen, den Sinn der Feste und die Hintergründe der Bräuche zu erklären.
RB: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede zwischen den Religionen zeigten sich bei der Arbeit am Handbuch?
Kammerhofer-Aggermann: Auch wenn die drei großen monotheistischen Religionen sehr polarisiert und gegeneinander ausgespielt werden, fällt auf, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt: Alle drei glauben an einen Schöpfergott, der den Menschen die Lehre offenbart hat, sie kennen einen freien Wochentag, der dem Dialog mit Gott, dem Nachdenken über die Lehre und dem Miteinander geweiht ist. Dieser freie Tag, sei es der Sabbath, der Sonntag oder das Freitagsgebet, ist ein Geschenk an die Menschen. Dieser Tag ist auch der Würde des Menschen als Geschöpf Gottes geweiht, ein Tag der Freiheit von Arbeit, der Besinnung, Selbstbestimmung und Kreativität ermöglicht.
Jede dieser Religionen kennt Buß- und Fastenzeiten und fordert zu Mildtätigkeit wie Barmherzigkeit gegenüber den Mitmenschen auf.
Ich habe oft erlebt, dass Menschen in den Nachbarschaften erfreut und beruhigt sind, wenn sie sehen, dass auch andere Menschen religiös sind und daher ethisch-moralische Grundsätze befolgen.
RB: Was ist das Ziel dieses Handbuches?
Kammerhofer-Aggermann: Ziel des Handbuches ist es, ein einfaches Grundwissen zu vermitteln ohne Voraussetzung von Vorkenntnissen, in einer alltäglichen Sprache. Wir sind ja keine Theologen, wir können keine theologischen Diskurse führen und keinen Religionsunterricht leisten. Aber wir können grundlegende Kenntnisse über die Feste jener Religionen vermitteln, die im Alltag der Menschen wahrnehmbar sind.
Das Buch richtet sich als Erstinformation an den Durchschnittsbürger auf der Straße, aber auch an Lehrer, Pädagogen, Menschen, die in der Jugendarbeit tätig sind.
Zum Buch
Feste, Bräuche, Feiertage der Religionen in Österreich – wie, wann, wozu? Hrsg. Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Michael Greger. Salzburger Beiträge zur Volkskunde 22. 460 Seiten.
Zu beziehen über das Salzburger Landesinstitut für Volkskunde, <link>volkskunde.slivk@salzburg.gv.at, 0662/8042-2351, 21 Euro exkl. Versand.
Ebenfalls erhältlich: Religionen in Österreich – Kalender 2017.
Foto (Monika Rattey/Landespressebüro Salzburg): Die Herausgeber – Ulrike Kammerhofer-Aggermann (im Bild) und Michael Greger – haben für ihr Buch mit kundigen Menschen zusammengearbeitet. Marco Feingold beispielsweise schreibt über die jüdischen Begräbnisrituale.