„Wer kann, der gibt – wer an der Armutsgrenze lebt, bekommt“

Projektleiter Thomas Neureiter und die freiwillige Mitarbeiterin Anne Marie Gomez Neumann bereiten den Umverteilungstag 2020 vor.
SALZBURG (eds) / „Die Coronakrise bescherte uns eine Steigerung bei den Anfragen um 40 bis 50 Prozent. Früher meldeten sich 25 bis 35 Haushalte pro Woche, weil kein Geld mehr für den nächsten Einkauf, Medikamente und Windeln da war oder wegen anderer existentieller Notlagen wie Stromabschaltungen sowie Delogierungen. Jetzt sind es 40 bis 55 Haushalte pro Woche, Tendenz steigend und das alleine in Mülln“, sagt Thomas Neureiter. Der Sozialexperte ist Leiter von „ArMut teilen“ in der Stadtpfarre Mülln und Koordinator des Umverteilungstags.
Zum 15. Geburtstag: Umverteilung am 14. November im Zeichen von Covid-19
„ArMut teilen“ ist das ganze Jahr über aktiv. Ein spezielles Datum ist jedoch seit der Gründung der jährliche Umverteilungstag – heuer am Samstag, 14. November (außer in Itzling, dort am Sonntag, 15. November). Wie gewohnt können Hilfesuchende ihre Lebenssituation und ihre finanziellen Sorgen und Nöte schildern. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen Standorte nehmen die Anliegen in einem vertraulichen Vier-Augen-Gespräch auf (in Liefering nur telefonisch). Vorkehrungen zur Einhaltung der notwendigen Abstands- und Hygienemaßnahmen sind getroffen. Ein Komitee entscheidet über Unterstützungsmöglichkeiten und übergibt in den folgenden Tagen einen Geldbetrag oder überweist die Summe.
Ebenso willkommen sind Spenderinnen und Spender, die in ihrem Stadtteil helfen möchten. Noch besser: bequem und sicher von daheim die Initiative mit einer Überweisung unterstützen.
Ganz wichtig in diesen Zeiten: Aufgrund der Coronaregeln ist eine telefonische Voranmeldung und Einzelterminzuweisung unbedingt notwendig.
Diese Standorte in Salzburg machen mit
- „ArMut teilen Mülln“ (Lehen, Taxham, Maxglan): 0662/8047-80 66 16; IBAN: AT11 5500 0002 0410 1022
- „ArMut teilen Salzburg Süd/Mitte“ (Morzg, Nonntal, Gneis, Herrnau): 0676/8746 5034; IBAN: AT71 3500 0000 9113 2571
- „ArMut teilen – Parscher für Parscher“: 0676/8746 7057; IBAN: AT43 3500 0000 2601 4647
- „ArMut teilen Itzling/ABZ“ – am Sonntag, 15. 11.: 0662/8047-80 57 16; IBAN: AT93 2040 4000 0364 5777
- „Lieferinger für Lieferinger“, St. Martin: 0676/8746 6999; IBAN: AT71 3503 4000 0008 8104
- „Lieferinger für Lieferinger“, Peter und Paul: 0676/8746 5013; IBAN: AT71 3503 4000 0008 8104
Lebensmittelausgabe im Coronajahr – 8.000 Pakete verteilt
Familien, besonders Alleinerziehende und auch Pensionistinnen und Pensionisten haben oft damit zu kämpfen, dass es für den Lebensunterhalt nicht mehr reicht. Die Fixkosten steigen und es bleibt weniger zum Leben übrig. Die Coronapandemie verschärfte ihre Lage. Die Statistik in der Pfarre Mülln bestätigt das: 314 Haushalte unterstützte „ArMut teilen“ im Jahr 2019; bis Oktober 2020 waren es bereits 358 Haushalte.
Täglich erreichen „ArMut teilen“ Anrufe – hier zwei Beispiele:
„Der Strom und die Fernwärme sind seit drei Tagen abgeschaltet.“ (Alleinerzieherin mit Kind in Taxham)
„Ich muss ins Krankenhaus zu einem stationären Aufenthalt. Ich brauche noch einen Morgenmantel und Patschen, die ich mir nicht leisten kann.“ (Mindestpensionistin aus Lehen)
Immer häufiger kann auch der ganz normale Supermarkteinkauf nicht mehr gestemmt werden. Deshalb startete unmittelbar nach Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr unter dem Dach von „ArMut teilen“ eine Lebensmittelausgabe. In Zusammenarbeit mit Vinzi-Tisch Salzburg und der Caritas Salzburg konnten an verschiedenen Standorten bisher mehr als 8.000 Pakete geschnürt und verteilt werden.
Bei der Lebensmittelausgabe mitangepackt haben zahlreiche Freiwillige wie die 23-jährige Anne Marie Gomez Neumann. „Ich bin Studentin, habe also nicht viel Geld zur Verfügung. Aber ich habe Zeit und die verschenke ich gerne. Früher hörte ich die Armutszahlen und dachte: Ja, eh arg. Jetzt kenne ich Gesichter und Geschichten der Betroffenen. Es war berührend zu sehen, wie sich die Leute über eine Packung Nudeln oder Kinder über eine Tafel Schokolade freuen. Ich dachte nicht, dass es in einer reichen Stadt wie Salzburg so viele Menschen gibt, die an oder unter der Armutsgrenze leben.“
Bilanz nach 15 Jahren: mehr als 900.000 Euro an Menschen in Not
Der erste Umverteilungstag fand am 13. November 2005 statt. Seither kommen rund um den „Elisabethsonntag“ bzw. „Welttag der Armen“ Menschen in Notlagen in die Salzburger Stadtpfarren. Mit mehr als 900.000 Euro konnte ihnen bisher geholfen werden.
„ArMut teilen“ ist dabei nicht nur am Umverteilungstag aktiv, sondern das ganze Jahr über. Auch Spenden sind jederzeit willkommen.
Mehr Infos: <link http: www.armut-teilen.at>www.armut-teilen.at
Welttag der Armen – Gottesdienst am 15. November mit Weihbischof Hansjörg Hofer
Der Welttag der Armen findet immer am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres statt. Papst Franziskus führte den weltkirchlichen Gedenktag 2017 ein, um den Fokus stärker auf Menschen am Rand der Gesellschaft zu rücken und sie in die Mitte zu nehmen. Am 15. November findet im Salzburger Dom um 10 Uhr ein Gottesdienst statt, bei dem auch Armutsinitiativen aus Salzburg geehrt werden. Weihbischof Hans-Jörg Hofer und Caritas-Direktor Johannes Dines rufen zu Solidarität und Zusammenhalt auf.