Wenn es im Alter kaum zum Leben reicht

SALZBURG (eds / 3. 11. 2017) / Für Außenstehende und sogar die eigene Familie ist er oft unsichtbar: Der „Kampf“ ums Nötigste, dem immer mehr ältere Menschen täglich ausgeliefert sind. „Sie müssen ihre Arbeitslosigkeit, Sparsamkeit und ihren sozialen Rückzug rechtfertigen und wissen dabei häufig zur Monatsmitte kaum, wie sie am nächsten Tag über die Runden kommen sollen“, berichtet Caritas-Direktor Johannes Dines. „Mich braucht eh keiner mehr.“ Das sei das schlimmste Gefühl, das es aufzufangen gelte. „Gemeinsam sind wir als Gesellschaft und Caritas gefordert, den Menschen Mut zu machen.“
Um den sichtbaren Trend zu „Arm im Alter“ aufzuhalten, fordert Dines anstatt einer erneuten Symptonbekämpfung ein Bündel an Prävention in Bildung, Familie und Arbeitsmarkt. „Was wir heute versäumen, baden die alten Menschen aus.“ Konkret nennt der Caritas-Direktor Erleichterungen für den beruflichen Wiedereinstieg durch optimierte Kinderbetreuung, um der Altersarmut bei Frauen vorzubeugen. Zudem müsse die unbezahlte Arbeit besser verteilt werden, so Dines, der erinnert: „Tausende Arbeitslose über 50 müssen sich bis zur Pension mittels staatlicher Hilfen durchkämpfen. Ändert sich nichts, wird Altersarmut für eine noch größere Zahl von Betroffenen Realität.“ Notwendig sei unter anderem eine Ausweitung des AMS-Projekts gegen Langzeitarbeitslosigkeit und ein Umdenken in den Betrieben. Diese sollten vermehrt auf die Kompetenzen älterer Personen zurückgreifen.
„Welttag der Armen“ am 19. November
Die Caritas der Erzdiözese Salzburg startete vor kurzem ihre neue Inlandskampagne. Verschiedene Aktionen sind rund um den 19. November geplant. Dieses Datum hat Papst Franziskus als „Welttag der Armen“ ausgerufen. Unter dem Motto „Über den Tellerrand“ werden in zahlreichen Pfarren haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel für Menschen in Not gesammelt. Freiwillige können Zeit spenden und bei „Wir.lesen.vor“ älteren Menschen Freude bereiten. Mehr dazu auf www.caritas-salzburg.at.
„Aus Scham nicht zur Beratungsstelle“
Das RUPERTUSBLATT sprach über dieses Thema mit Dr. Edda Böhm-Ingram, Bereichsleiterin der Caritas für Soziale Arbeit:
RB: Die Sozialberatung und die Caritas-Zentren in den Regionen sind Anlaufstellen für Menschen in Not. Wie viele Ältere kommen zur Caritas?
Böhm-Ingram: Wir haben im Vorjahr insgesamt 5.000 KlientInnen betreut. Der Anteil der Älteren ist beträchtlich. Mehr als ein Drittel alleine in der Sozialberatung waren über 50. Meist haben sie nur wenig Erspartes. Da kann eine hohe Stromrechnung schnell zum Problem werden. Bei einer Befragung hat die Mehrheit angegeben, dass sie am Ende des Monats nicht einmal 15 Euro zur Seite legen kann. Was das für unvorhergesehene Ausgaben heißt, ist leicht auszurechnen.
RB: Was bedeutet es, arm zu sein?
Böhm-Ingram: Ein Drittel der Menschen, die Beratungsstellen aufsuchen, haben nach Abzug der Fixkosten pro Tag 8,50 Euro. Das muss für Essen, Kleidung und alles andere reichen. Ein Kinobesuch oder Einladungen sind da kaum drinnen. Zu uns kommen die Menschen oft, wenn es schon brennt, das heißt, wenn zum Beispiel die Stromabschaltung droht. Das hat viel mit der Scham zu tun. Sie hoffen bis zuletzt, es doch alleine zu schaffen.
RB: Wie hilft die Caritas konkret?
Böhm-Ingram: Wir helfen mit finanzieller Notüberbrückung. Die ist stets an eine Beratung gekoppelt, da die Menschen ja dauerhaft aus ihrer Situation herauskommen sollen. Immer gelingt das nicht. Wir unterstützen auch mit Lebensmittel- oder Kleidergutscheinen. Ein anderer Schwerpunkt ist Beschäftigung. Über 45-Jährige ohne Arbeit werden in zwei Projekten der Caritas wieder in den Arbeitsmarkt integriert.
Foto: Edda Böhm-Ingram ist Bereichsleiterin der Caritas für Soziale Arbeit, sie kennt die Nöte der von Altersarmut Betroffenen. Foto: Wildbild/Caritas