Liebe Brüder und Schwestern,
ab 1. September 2020 beginnen wir wie eine Gemeinschaft im Weinberg unseres Herrn zu arbeiten: Hollersbach und Bramberg am Wildkogel. Mein Vorgänger hatte das mit drei Pfarreien nicht einfach, heute erlebt das ganze Land Österreich einen großen Priestermangel. Desto mehr gehört ihm unser und auch mein Dank. Gott begleite ihn weiter mit Hilfe und allen Gaben!
Über die Jünger Christi wurde im Evangelium nach Johannes (22, 23-24) einmal geschrieben: „Und sie fingen an, sich untereinander zu befragen, welcher von ihnen es wohl wäre, der dies tun würde. Es entstand aber auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe.“
In meinen Augen sind wir wirklich alle gleich, darum könnte ich in meinem ersten Satz unsere zwei Orte in verschiedener Reihenfolge nennen: zuerst Bramberg am Wildkogel und dann Hollersbach oder umgekehrt. Aber ich glaube fest, dass wir diese Kleinigkeiten nicht lösen müssen. Liebe Freunde, die hauptsächliche und wichtigste Frage steht ganz woanders.
Vielleicht zur Erklärung ein Beispiel:
Während des Vietnamkriegs war ein amerikanischer Soldat drauf und dran, auf eine Landmiene zu treten, die er nicht sehen konnte. Sein Kamerad auf der anderen Seite des Schlachtfelds, der von seinem Standort aus die drohende Katastrophe erkennen konnte, richtete sich hinter seiner Schutzbarrikade auf und rief seinem Freund eine lebensrettende Warnung zu. In genau diesem Augenblick wurde er von einem feindlichen Gewehrschuss verletzt und starb daran. Einige Jahre später hatte der so gerettete Soldat bei einem Gedenkgottesdienst in den USA die Gelegenheit, die Ehefrau und den Sohn des verstorbenen Freundes kennen zu lernen. Der Sohn, der erst sieben Jahre alt war, hatte seinen Vater nie wirklich gekannt. Der Soldat konnte sehen, dass der Junge sehr traurig war, und so kniete er sich neben ihm nieder und legte dem Kind die Hand auf die Schulter. „Ich möchte, dass du weißt", sagte der Soldat, „dass dein Vater mir das Leben gerettet hat." Der kleine Junge schaute zu ihm auf, die Tränen liefen ihm die Wangen herunter. „Sir" sagte er, „waren Sie es denn wert?"
Wir können dieselbe Frage an uns selbst stellen: „Ist das, wofür du lebst, es wert, dass Christus dafür starb?" Alles ist wichtig was wir in der Kirche machen, aber wichtiger ist, in welchem Sinn. Wenn wir auch kleine Sachen, die niemand sieht und darum uns niemand loben wird, mit Liebe zu Gott machen, dann ist es wirklich wert, dass Jesus dafür starb. Aber auch große Taten und religiöse Aktivitäten voller Stolz und Wetteifer sind in den Augen überhaupt nichts. Der heilige Franziskus sagte: „Lieber Jesus mach mich so klein, dass nicht einmal deine Engel bemerken, dass mein Herz nur für dich brennt.“ Ja, auch ein ganz kleines Kind kann ein größeres Herz für Jesus haben, als ein erwachsener Gläubiger, sogar auch als ich – Euer Priester (seht Marcus 9,36-37).
Mein erster Brief will mir und dir sagen: In erster Linie geht es um unsere Fähigkeit, zusammen zu arbeiten, gegenseitig zu verzeihen, wenn in Zukunft vielleicht etwas Unangenehmes passiert, und viel Geduld zu haben, denn niemand von uns ist ganz perfekt und makellos. Aus diesem Grund lade ich euch ein, diese Reise mit einer neuen Gemeinschaft zu beginnen – Hollersbach und Bramberg am Wildkogel.
Euer Seelsorger
Stanislav Gajdoš