„Solidarität unter den Völkern fehlt”

SALZBURG (eds- 4. 5.2016) / Die Dringlichkeit der „Annäherung“ unter den Völkern und der Religionen hob Bischof Franjo Komarica im Rahmen seines Salzburg-Besuchs heute Nachmittag hervor. Der Präsident der Bischofskonferenz für Bosnien und Herzegowina feierte am Abend mit Erzbischof Franz Lackner im Dom die Pontifikalvesper und hielt anschließend auf Einladung der Paneuropa Bewegung Österreich einen Vortrag im Stift St. Peter.
In Bosnien Herzegowina seien die „Kriegswirren“ der 1990er Jahre nach wie vor spürbar, so Komarica. Wie Journalist Winfried Gburek sprach er von einem „sinnlosen Stellvertreterkrieg“. Viele der Eindrücke von den Entwicklungen in Bosnien seit 1990 wurden in Form eines Interviews im jüngsten Buch „Liebe.Macht.Erfinderisch. – Enthüllungen“ (Berlin 2015) aufgearbeitet, das die beiden Autoren im Rahmen eines Vortrages im Stift St. Peter vorstellten.
„Seit zwei Dekaden zeigt sich eine besorgniserregende Verminderung der Christen in Südosteuropa“, stellte Bischof Komarica fest und wies auf eine „immer größer werdenden Diaspora“ hin. Dies ist eine Situation, „mit der man sich auch in kirchlichen Kreisen nicht ernsthaft genug beschäftigt, fügte der Oberhirte kritisch hinzu.
„Wir konnten viel Gutes tun, es ist uns gelungen, Versöhnung nicht nur zu predigen sondern auch zu praktizieren“, zog Bischof Komarica Bilanz. Ziel sei, weiterhin „das Evangelium in die Tat umzusetzen und Projekte für Entrechtete und Arme fortzusetzen.“
Die Bestandsaufnahme fällt aber auch pessimistisch aus: „Die Solidarität unter den Völkern, auch der christlichen, fehlt“, so Komarica, der diese Entwicklung als „verhängnisvoll“ bezeichnet, denn: „Manches ist irreparabel“.
Positiv hob der Oberhirte die Annäherung an andere religiöse Gruppierungen, wie namentlich der Orthodoxie und den Muslimen hervor. „Wir sind geschundene Menschen – wir: das sind Katholiken, Orthodoxe und Muslime“. Skeptische zeigte sich der Bischof im Kontext des Terrors gegenüber einer Entwicklung einer „anderen Art von Islam“.
Auch Co-Autor Winfried Gburek hob seine Sorgen um „das Land, das wie kein anderes vermint ist“ hervor: „Bosnien-Herzegowina liegt in Europa und ist ein Pulverfass“, so der ehemalige Pressesprecher der Katholischen Kirche Hannover, der ein „Desinteresse“ und „himmelschreiende Unkenntnis“ Europas bezüglich der politischen und wirtschaftlichen Situation im Land verortet. „Wer das Land nicht befriedet, kann nicht davon ausgehen, dass es in Frieden bleibt“, kritisiert der Journalist. Ziel für das „vergessene Land“ sei schließlich, „den Friedensprozess zu beleben.“ Im Sinne der Bewusstseinsbildung soll auch das Buch der beiden dazu beitragen.
„Erschüttert“ zeigte sich auch der Gastgeber des abendlichen Vortrages, Erzabt Korbinian Birnbacher, angesichts der „aussichtslosen“ beschriebenen Situation, vor allem für Katholiken.
Bischof Franjo Komarica, geboren 1946 in Novakovići, studierte in Innsbruck Theologie und Kirchenmusik und promovierte 1978 im Fach Liturgiewissenschaft. Die Priesterweihe erfolgte 1972. 1985 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof, 1989 zum Bischof von Banja Luka ernannt. Seit 2010 ist er Präsident der Bischofskonferenz für Bosnien und Herzegowina. Bischof Komarica ist Träger zahlreicher Ehrungen und Auszeichnungen, unter anderem des Heinrich-Pesch-Preises (1997), des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises (2005) und des Europapreises Coudenhove-Kalergi (2002).
Foto: V.l.n.r.: Erzabt Korbinian Birnbacher, Bischof Franjo Komarica (Diözese Banja Luka), Erzbischof Franz Lackner, Journalist und Autor Winfried Gburek.
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