Salzburger Lebensschutztreffen: Leben ist unersetzlich

SALZBURG (eds) / Lebensschutz aus verschiedenen Perspektiven – mit diesem Programm ging das Treffen der Lebensschutzbeauftragten der Diözesen Österreichs in Salzburg über die Bühne. Ethikerinnen und Ethiker wie u. a. der Salzburger Moraltheologe Andreas Michael Weiß, die Direktorin des IMABE-Instituts Susanne Kummer oder die Kinderärztin Daniela Karall referierten über brisante bioethische Fragestellungen. Referatsbischof Hermann Glettler konnte aufgrund von Krankheit nicht an der Tagung teilnehmen. Bischofsvikar Gerhard Viehhauser von der Erzdiözese Salzburg begrüßte und eröffnete die Tagung.
Sterbehilfe: Aus gesellschaftlichem Wandel wird Traditionsabbruch
„Der Umgang mit Sterben und Tod bedeutet nicht nur Wertewandel, sondern Traditionsabbruch“, sagte der Salzburger Ethiker und Professor für Moraltheologie Andreas Michael Weiß. Das Selbstbestimmungsargument, also dass der Mensch sich frei entscheiden könne, habe alle anderen ethisch-moralischen Überlegungen außer Kraft gesetzt. „Wenn Staat und Gesetzgeber keine Lösung finden, beruft man sich auf das Selbstbestimmungsrecht.“ Das sei ein Hinweis dafür, dass die Gesellschaft die Fähigkeit verloren habe, einen Konsens zu finden, sagt der Theologe. Auf dieser Linie ist die Tradition des Sterbenlassens in eine Technik des Tötens übergegangen. „Man hat die Schwelle zur Tötung durch den assistierten Suizid bereits überschritten.“ Tötung auf Verlangen sei der nächste Schritt in dieser Entwicklung, argumentiert Weiß.
Er warnte in seinem Referat aber auch zugleich davor, sich gegenseitig Ideologie zu unterstellen. Ideologie in Fragen des Lebens und Sterbens zerstöre die Basis der ethischen Auseinandersetzung und ersetze Argumente durch Bekämpfung des sogenannten anderen Bösen.
Ethik frage Moralvorstellungen und Ideologien gleichermaßen an. Der Unterschied zwischen Töten und Sterbenlassen, zwischen direkter und indirekter Tötung sei durch Sprache, Kultur und Rechtsprechung erwischt. Auch wenn die christliche Perspektive mittlerweile die einer Minderheit sei, gewinne der Lebensschutz seine „Überzeugungskraft nicht aus Strafrecht, sondern aus den positiven Erfahrungen gelingenden Lebens im Angesicht des Sterbens“. Sein Plädoyer: „Den positiven Erfahrungen im Hospiz- und Palliativbereich trauen.“
Reproduktionsmedizin und Schwangerschaftsabbruch auf dem Prüfstand
Antonia Holewik erörterte aktuelle Tendenzen in der Leihmutterschaftsdebatte. Die Juristin des Instituts für Ehe und Familie der Bischofskonferenz brachte in ihrem Beitrag die Fakten rund um das Thema Leihmutterschaft ein. „In der öffentlichen Wahrnehmung geht es meistens nur um die Sehnsucht und den Wunsch von Paaren nach Kindern. Die oft leidvolle Geschichte der Leihmutter oder der Kinder wird ausgeblendet“, so Holewik. Die Kinderwunschdebatte sei zu einer Anspruchsrechtsdebatte bei den „Bestelleltern“ geworden. Gepaart mit einer Ausbeutungskultur von Leihmüttern ergebe sich eine schwierige Gemengelage. Man müsse von einer modernen Form der Sklaverei von Frauen sprechen. Deshalb gehöre das Verbot von Leihmutterschaft in Österreich verschärft und global ausgesprochen.
Die stellvertretende Direktorin der Pädiatrie Innsbruck Daniela Karall referierte über die Abtreibungssituation in Österreich. Pro Jahr finden geschätzt 30.000 bis 35.000 Abtreibungen statt – im Vergleich zu anderen Ländern hoch. In rund 500 Fällen dürfte eine medizinische Indikation – also eine schwere Erkrankung des Kindes oder die Gefährdung des Lebens der Mutter – vorliegen, erklärte Karall, die auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) ist. Die derzeit aufgeheizte öffentliche Debatte zum Thema Abtreibung müsse entschärft werden. „Wir müssen eine Ebene des Dialogs finden, um den betroffenen Paaren und Frauen zu helfen und auch alternative Angebote zum Abbruch aufzeigen“, so die Expertin. Sie bekräftigte in ihrem Beitrag die Anliegen der Initiative Fairändern: Offizielle Statistik und anonyme Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen, Hinweispflicht des Arztes auf Unterstützungs- und Beratungsangebote für schwangere Frauen (rechtliche, finanzielle sowie psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten), Bedenkfrist zwischen Anmeldung und Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs von mindestens drei Tagen, Beendigung der Diskriminierung von behinderten Kindern vor der Geburt.
Wünschenswert sei vor allem eine Enttabuisierung des Gesprächs über Abtreibung und Hilfsangebote für Frauen, unterstrich Karall. Es genüge nicht, Betroffenen zu vermitteln, dass der Abbruch ihre freie Entscheidung gewesen sei. Das führe nämlich auch dazu, dass sie bei körperlichen, psychischen oder seelischen Problemen danach allein bleiben und keine Nachbetreuung angeboten werde.
Für ein „Recht für Frauen auf Aufklärung und sicheren Zugang zu Alternativen und Angeboten von psychologischer Nachbetreuung nach einer Abtreibung“ sprach sich auch Susanne Kummer, die Geschäftsführerin des Bioethikinstituts IMABE, aus. Schwangerschaftsabbrüche sind für Frauen mit einem erhöhten Risiko für psychische Gesundheitsprobleme verbunden, wogegen es für behauptete positive Effekte oder eine Schutzfunktion für die Psyche durch Schwangerschaftsabbruch keine wissenschaftlichen Beweise gibt. Das legt eine Forschungsarbeit des Wiener Bioethikinstituts IMABE nahe, die im Frühjahr in der Reihe IMABE-Studien erscheint. „Angesichts der emotional geführten Debatten rund um den Schwangerschaftsabbruch möchten wir damit einen Beitrag zur Versachlichung leisten“, sagt Kummer, die Mitautorin der Studie ist.
Foto: Lebensschutzbeauftragte der Diözesen Österreichs mit Salzburger Bischofsvikar Gerhard Viehhauser (Mitte) mit Referentinnen und Referenten