Priesterweihe 2023
Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst,
lieber Erzbischof Alois, lieber Herr Weihbischof, sehr geehrter Herr Erzabt, sehr geehrte Äbte Johannes, Maximilian und Nikodemus, lieber Herr Generalvikar, sehr geehrte Herren Domkapitulare – ich grüße sehr herzlich unsere Weihekandidaten mit ihren Familien, Verwandten und Freunden,
liebe Schwestern und Brüder!
Ein ganz anderer Anfang: Kürzlich hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einem Gesundheitsmanager, in dem dieser die sicher nicht unbegründete Behauptung aufstellte, dass es zwar genügend Pflegekräfte gebe, was die Anzahl der Beschäftigten betrifft – das Problem des Pflegenotstands sei aber Konsequenz der so genannten Teilzeitbeschäftigung. Dabei sei allerdings nicht an jene zu denken, die aus familiären Gründen zunächst teilzeitlich in den Arbeitsprozess einsteigen, sondern an jene, die aufgrund der so genannten Work-Life-Balance sich mit einer teilzeitigen Beschäftigung begnügen. Sie nennen das „neue Bescheidenheit“. Vergessen wird dabei allerdings, wie dadurch eine andere Balance aus dem Ruder gerät, nämlich der Ausgleich zwischen dem bonum commune – dem Allgemeingut – und jenem Gut von Einzel- oder Gruppeninteressen. Schlussendlich wird das Verhältnis von der ganzen Wahrheit zu ihren Teilwahrheiten – die ja ihren Wahrheitsanspruch nur aufrecht zu erhalten vermögen, weil sie Teile der Wahrheit an sich sind – empfindlich gestört.
Dazu fügt sich ein mir wichtig gewordenes Wort des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski, der in einem posthum erschienenen Interview sagt:
„Offensichtlich können einzelne hohe moralische Standards aufrechterhalten und zugleich areligiös sein. Dass auch ganze Zivilisationen das können, bezweifle ich.“
Wenn ich mir die Begründungen von so vielen, die die Kirche alljährlich verlassen, anhöre und betrachte, dann muss ich sagen: Es ist nicht nur die Work-Life-Balance aus dem Ruder gelaufen, sondern auch die „Church-Faith-Balance“. Wie ist es aus den Mündern im Brustton der Überzeugung immer wieder zu hören: „Ich habe meinen Glauben! Den lasse ich mir nicht nehmen! Gott wird mich nicht verlassen! Wozu brauche da noch eine Kirche?“ Da werden Teilmengen von Glaubensansätzen genannt, die es dringendst notwendig hätten, auf eine ursprünglich gesicherte Glaubenssubstanz rückgebunden zu werden. Mit anderen Worten: Ein wenig scheint es mir manchmal, als wolle man zwar die Äpfel essen, möchte aber ohne Apfelbaum auskommen.
Der legendäre Caritasdirektor von Wien, Leopold Unger, wurde einmal gefragt, was er glaube. Seine spontane Antwort lautete: „Alles, was im Glaubensbekenntnis steht.“ Freilich gebe es da und dort durchaus persönliche Präferenzen, aber das Glaubensbekenntnis stehe für das Ganze aus einem Ursprung, der jenseits jeglicher persönlicher Fassbarkeit liege. Und dafür steht Kirche. Sie ist ein lebendiger organischer Strom, der uns mit dem Ursprung im Heilswirken Jesu verbindet. Gertrud von Le Fort hat Hymnen an die Kirche geschrieben. In einer ihrer Strophen heißt es:
„Die Irrenden gehen nicht unter, weil du – Kirche – noch den Weg weißt, und die Sünder werden verschont, weil du noch betest.“
Das ist Kirche, liebe Schwestern und Brüder, und der Heilige Franziskus hat das tief und unauslöschlich erfahren dürfen. So, dass er in seinem Testament schreiben konnte:
„Und der Herr gab mir in den Kirchen einen solchen Glauben, dass ich in Einfalt so betete und sprach: wir beten dich an Herr Jesus Christus in all deinen Kirchen auf der ganzen Welt und preisen dich, weil du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast.“
Diese Kirche ruht auf zwei Säulen: Petrus und Paulus, deren Hochfest wir heute feiern. Und dieser Kirche verdanken wir einen Glauben, der inne- und gegenwärtig werden lässt, was sich einst auf so wunderbare Weise in Betlehem, in Nazareth und in Jerusalem ereignet hat: Gottes Sehnsucht, bei den Menschen zu sein, ist Wirklichkeit geworden. Daran haben wir Anteil. Wir sind Miterben und nicht Alleinerben. Man kann einer zweitausend Jahre alten Geschichte gewiss auch so Manches vorwerfen, aber die Kirche hat den Glauben, wie wir ihn bei jeder Eucharistiefeier bekennen durch die Worte „Deinen Tod oh Herr verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“ dennoch treu weitergegeben. Daran werden und sollen wir zuerst gemessen werden.
Nun zu Petrus und Paulus. Petrus ist von Anfang an dabei. Er gehört zu den ersten, die Jesus beruft. Und Jesus gibt ihm auch schon bei der ersten Begegnung einen Beinamen, „Kephas“, im Lateinischen „Petrus“, d.h. Fels. Von Petrus wissen wir sehr viel, kennen selbst seine Fehler. Keiner von den Aposteln wird von Jesus so hart angefasst wie Petrus. „Hinweg von mir Satan…“, so fährt Jesus ihn einmal unverständlich scharf an. Von Petrus stammen aber auch die schönsten Bekenntnisse: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes…; Herr, wohin sollen wir gehen, denn nur du hast Worte ewigen Lebens…; Herr, du weißt alles, du weißt, dass ich dich liebe.“ Wo andere nichts sagen oder sich schon alles entwertende Floskeln als Antworten zurechtlegten, ist es Petrus, der bekennt. Er bekennt über das Erkennen hinaus. Und auf diesen „Felsen“, so die Zusage Jesu, will Er seine Kirche bauen. Nicht auf dem Felsen knallharter Erkenntnis, nicht auf dem Edelstein glänzender Perfektion, sondern auf dem brüchigen Felsen des Bekenntnisses. Das zeichnete Petrus so sehr aus und soll auch die Kirche zuerst auszeichnen.
Paulus ist dagegen der „Quereinsteiger“. Er ist der 13. in der Zwölferzahl. Es scheint beinahe, als ob Gott in ihm einen neuen Ansatz setzen wollte. Er war nicht von Anfang an dabei. Den Rabbi mit Namen Jesus hat er nie gesehen, ist ihm nie begegnet. Er war ein vehementer Bekämpfer der so genannten neuen Lehre. Und auf diesem Unternehmen kommt ihm dieser Jesus in die Quere. Paulus stürzt und hört die Stimme: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ – „Wer bist du Herr?“ – „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Diese Begegnung machte aus dem Saulus den Paulus. Und Paulus wird auch stets die Eigenständigkeit seiner Berufung zum Apostel betonen. So schreibt er im Galaterbrief, wie er nach jener umwerfenden Begegnung vor Damaskus, nicht Fleisch und Blut zu Rate zog, sondern sich in die Wüste Arabia zurückzog. Paulus hätte nach heutigem Verständnis durchaus von sich aus einen eigenen Weg der Nachfolge beginnen können. Genau das tat er nicht; er zog nach drei Jahren nach Jerusalem hinauf um, wie es heißt, Kephas kennenzulernen. Fünfzehn Tage lang blieb er bei ihm, denn Paulus wollte – wie es im ersten Kapitel des Galaterbriefs zu lesen steht – kein anderes Evangelium verkünden als das, welches es er nach dem Besuch bei Petrus und der Gemeinde in Jerusalem zu verkünden begann.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist Kirche! Paulus fügt sich mit seinem queren Offenbarungserlebnis, mit seinem Sonderauftrag zur Heidenmission, ein auf die Spur der Kirche, die Jesus zu legen begonnen hat und die die Kirche seit Anbeginn zu folgen gewillt ist.
Liebe Weihekandidaten, besonders dem sakramentalen Priestertum ist es aufgetragen diese Spur Jesu aufzunehmen, sich einzufügen, um sie dann in unsere Zeit hinein weiterzugehen. Daraufhin werdet ihr heute geweiht. Euch werden Worte zu sprechen anvertraut, ich denke an die Eucharistie, Buße oder Krankensalbung; sie haben eine zweitausendjährige Geschichte; sie vermögen Wirklichkeit schaffen; sie vermögen zu binden und zu lösen. Tut den priesterlichen Dienst mit großer Demut und innerer Hingabe. Mir hat einmal ein alter Priester erzählt, als er seine Primizmesse feierte, habe ihm hernach sein Vater zur Seite geholt und gesagt: „Als du bei der Elevatio die konsekrierte Hostie erhobst, hast du gezittert. Bitte bewahre dir dieses Zittern bei der heiligen Handlung.“ Das priesterliche Wirken ist eingebettet in dasjenige vieler, die berufen und beauftragt sind, die Frohe Botschaft hinaus zu tragen zu den Menschen von heute. Gott spricht auf vielfacher Weise zu und durch die Menschen. Lernt, auf das zu hören, was Gott in seinem Volk Neues wirken möchte. Habt Mut und Respekt, wie die Gemeinde von Jerusalem den Mut und die Demut hatten, auf Paulus und Barnabas zu hören, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden gewirkt hat. Nur gemeinsam können wir dem Auftrag Jesu, in die ganze Welt hinauszugehen, in dieser modernen Zeit gerecht werden. Wie Paulus im Brief an die Gemeinde von Ephesus mahnend spricht: „Keiner soll sich über den anderen erheben.“
Bei der Überreichung der Gaben des Volkes von Brot und Wein, spricht der Bischof in der Weiheliturgie:
„Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“
Amen!