Papst zur Umwidmung der Hagia Sophia: Empfinde „großen Schmerz“

VATIKANSTADT/ISTANBUL (kap) / Papst Franziskus hat sich überraschend zur Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee geäußert. Wenn er an das Wahrzeichen in Istanbul denke, empfinde er „großen Schmerz“, sagte er am Sonntag nach dem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Mehr zu der international umstrittenen Entscheidung sagte das Kirchenoberhaupt nicht.
Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hatte am Freitag den Status des berühmten Bauwerks als Museum aufgehoben. Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee.
Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“) wurde 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ machte sie 1934 zum Museum.
Papst Franziskus hatte 2014 die Hagia Sophia im Rahmen seines Staatsbesuchs in der Türkei besucht. Vor zwei Jahren hatte der Papst Präsident Erdogan im Vatikan empfangen.
Zerstörung der 1300 Jahre alten Mosaike befürchtet
Die österreichische Hilfsorganisation „Christen in Not“ (CiN; ehemals „Christian Solidarity International“/CSI) befürchtet im Zuge der Umwandlung der Hagia Sophia in eine islamische Gebetsstätte die Zerstörung der 1.300 Jahre alten Mosaike im Gebäudeinneren. „Es ist zu befürchten, dass nun die christlichen Mosaiken in der Kuppel der Hagia Sophia endgültig zerstört werden. Hatte Sultan Mehmed II. nach der Eroberung Konstantinopels 1453 die christlichen Mosaiken durch Putz verdeckt, so ist nach dem Vorbild der Bilderstürmerei des ‚IS‘ nun zu befürchten, dass nun die Mosaike selbst zerstört werden. Keinesfalls können diese sichtbar bleiben, weil ansonsten den Vorschriften der bilderlosen Moschee – spätestens ab dem 8. Jh. Ist das Bilderverbot im Islam ausnahmelos verankert – nicht Genüge getan werden kann“, so CiN-Generalsekretär Elmar Kuhn in einer Aussendung am Sonntag.
Mit dem Fall des „IS“ (Islamischer Staat) habe die Welt gehofft, dass Politik wieder zur Vernunft zurückkehrt. Dazu gehöre es auch, dass Politik aufhöre, Religion als Werkzeug zu benutzen. Mit der nun durchgeführten Umwidmung der Hagia Sophia in Istanbul zu einer Moschee sei zu befürchten, dass die Bilderstürmer-Mentalität des IS salonfähig werde, heißt es weiter in der Aussendung.
Welt erwartet Friedensbeitrag der Religionen
Insgesamt sei eine große Chance verloren gegangen, einen Weg des Dialogs und gegenseitigen Respekts zu finden. Dann hätte die Umwidmung von einem Museum in ein Haus des Gebets ein konstruktives Zeichen darstellen können. So wäre die Hagia Sophia, auch aufgrund ihrer großen Geschichte, ein wahres und verbindendes Weltkulturerbe. Denn die Welt erwarte zu Recht den Beitrag der Religionen zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung statt zu neuen Verletzungen und Konflikten.
Auch wenn rund 75 Prozent der türkischen Bevölkerung die aktuelle Re-Islamisierung der ursprünglich christlichen Hagia Sophia begrüßen würden, so zeige das doch, dass der Spalt zwischen den Menschen, die auf einen respektvollen Dialog zwischen den Religionen setzen und einer religiös-nationalistisch instrumentalisierten Bevölkerung in der Türkei tief gehe. „Das lässt für die Entwicklung einer modernen Türkei und ihres Umgangs mit religiösen Minderheiten Schlimmes befürchten. Klar ist auch die Absage an Kemal Atatürks Trennung von Staat und Religion, die aber, wie die Situation in Europa zeigt, durchaus Kooperationen zum Wohl der Menschen zulässt und sogar fördern kann“, betont Kuhn.
In der Widmung der Hagia Sophia als Museum sei seit 1934 ein modus vivendi gefunden worden, der auch den religiösen Gefühlen der orthodoxen Christen – und vieler westlicher Christen – Respekt erwiesen habe. „Dass dieser Respekt jetzt bewusst mit Füßen getreten wird, ist leider ein Affront erster Güte. Die Auswirkungen auf den bislang so positiven sunnitisch-christlichen Dialog sind noch gar nicht abzusehen. Eine Fundamentalisierungswelle ist nun auf beiden Seiten, bei Christen wie bei Muslimen, zu befürchten.“ Aber – so Kuhn weiter: „Wir hoffen und beten, dass die Versöhnungsprojekte von ChristeninNot in muslimischen Ländern durch diesen Kulturvandalismus nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.“