Osternacht
Liebe Schwestern und Brüder,
hier im Dom zu Salzburg und über die Medien verbunden!
Christlicher Glaube steht und fällt mit dem Ereignis, welches erstmalig Frauen an einem Grab widerfuhr. Dorthin waren sie frühmorgens gekommen, um den fürchterlich geschundenen Leichnam ihres Herrn mit wohlriechendem Öl zu salben. Jedoch erwartete sie dort ein offenes, leeres Grab. Zur Trauer mischte sich Ratlosigkeit.
In diese Ohnmacht hinein erging an sie ein Wort, das sie sich selbst nicht zu sagen vermochten. Das Evangelium spricht von zwei Männern in leuchtend weißen Gewändern, die da fragten: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Unterschwellig klingt da ein leiser Vorwurf durch: Eigentlich solltet ihr glauben! Hat denn dieser Jesus nicht mehrmals davon gesprochen, der Menschensohn werde dem Tod ausgeliefert werden, aber auch von diesem Tode auferstehen? Da erinnerten sich die Frauen am leeren Grab Jesu an dessen Worte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“
Liebe Schwestern und Brüder, der Glaube an die Auferstehung braucht von Zeit zu Zeit ein Nachempfinden trauriger Ratlosigkeit. Man braucht dieses nicht künstlich herbeisehnen. Das Leben selbst in den erfreulichen Aufs und zuweilen sehr beschwerlichen Abs auf der Lebenswanderung gibt dazu Anlass genug. Das allein wäre allerdings eine traurige Lebensphilosophie, zumal mit zunehmendem Alter. Die andere Seite des Glaubens, das tragende Fundament, lautet Innerlichkeit, das Erinnern.
Ich darf ein Beispiel erzählen aus meiner Visitationserfahrung. In einer obersteirischen Pfarre ging ich auf den Friedhof, dort sah ich einen alten Mann an einem Grab knien. Ich hatte ihn im Rahmen der Visitation in früherer Zeit schon etwas kennen gelernt. Er lebte mit seiner Frau hoch oben am Berg, ohne Wasseranschluss im Haus. Sie hatten keine Kinder. Inzwischen war seine Frau gestorben. Nun kniete er vor dem Grab. Als er mich sah, sagte er, auf das Grab hindeutend: „Meine Gattin!“ Ein herzzerreißendes Bild. Da erinnerte ich mich an das, was einst an einem Grab gesagt worden ist. „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ Dabei wurde ich von Sehnsucht ergriffen: Diese schier unglaubliche Verheißung – „Auferstehung“ – für diese beiden Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet hatten, dem Glauben treu geblieben waren, wahr sein möge.
Liebe Schwestern und Brüder, an die Auferstehung zu glauben bedeutet die Anerkennung: Es gibt ein „Danach“ über unser Leben hinaus! Und nicht nur für die, die glauben, sondern für alle. Wir stehen diesbezüglich in einer universalen Verantwortung. Mit allen großen Vergehen, Vernachlässigungen oder eben schwersten Sünden wird am Ende, selbst wenn sie viele hundert Jahre zurückliegen, abgerechnet. Nachhaltiges Denken, wie es in der Ökologie zumindest in unseren Breitengraden ins Bewusstsein gekommen ist, fehlt fast zur Gänze in der Verortung der menschlichen Existenz im universalen und im schöpferischen Kontext. Umfragen lassen uns immer wieder wissen, wie wenige selbst unter Christen an Auferstehung glauben. Umso mehr müssen wir Christen und Christinnen, die wir an diesen Auferstehungsgottesdienst in dieser heiligen Nacht teilnehmen, unsere Stimme erheben und bekennen: Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Er ist uns vorausgegangen; er wird wiederkommen!
Unser Einsatz ist jetzt gefragt, gegen Krieg und Terror, gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung; dagegen für den Frieden, für Gerechtigkeit und Solidarität für möglichst alle. All jenen, die an einer Kultur des Todes beteiligt sind und diese betreiben, sagen wir mit demütigen Herzen, aber klarem Verstand: Dabei tun wir nicht mit. Christen, so sie wirklich Christus gehören und angehören, tun solches nicht. Denn wir wissen: Das Leben ist letztlich eine göttliche Gabe. Wir stehen in der Verantwortung vor Gott und den kommenden Generationen, und wir glauben an Auferstehung.
Ich kehre zurück zum Evangelium, das uns die Frohe Botschaft von der Auferstehung verkündet hat. Nachdem sie sich an die Worte des Herrn erinnert hatten, kehrten die Frauen zurück und berichteten alles den elf Aposteln und allen Übrigen. Die Jünger glaubten ihnen nicht. Hier ergreift Petrus die Initiative – offensichtlich glaubte auch er den Frauen nicht, doch er läuft zum Grab, schaut dort hinein, sieht darin nur Leinenbinden. Er sieht das leere Grab, er hörte zuvor die Kunde der Frauen, und gewiss erinnert er sich auch an die Worte, die der Herr gesprochen hatte. Nach all dem geht er – sicher überwältigt – nach Hause, „voll Verwunderung über das, was geschehen war“, so die Schlussworte des Evangeliums.
Schwestern und Brüder, ergeht es uns nicht ähnlich, wenn wir in unsere Herzen, in unsere Kirche, in unsere Welt hineinschauen? Entdecken wir da nicht auch so etwas wie leere Gräber? Stellt sich nicht auch bei uns eine gewisse traurige Ratlosigkeit ein? An dieser Stelle gilt es Sehnsucht zu entdecken, die Sehnsucht nach Leben, Liebe, Frieden und Gottwohlgefallen. Mit der Sehnsucht kommt die Erinnerung, das Innewerden dessen, was wir in dieser Heiligen Nacht hören durften. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, Er ist auferstanden.“
Und es möge so sein, dass wir, wie Petrus, voll Verwunderung über das, was geschehen war, heimgehen. Amen!