Osternacht
Liebe Schwestern und Brüder!
Sehr geehrte Fr. Bundesministerin Edstadler!
Liebe Mitfeiernde über livestream!
Die Erkenntnis, dass große Ereignisse im geistlichen Leben sich ankündigen, ist eine Frucht gläubigen Lebens. Nichts fällt gleichsam out of the blue vom Himmel. Freilich sind derartige Ankündigungen nicht wie die Wettervorhersage zu verstehen, welche mehr oder weniger genau eintritt. Sie bleiben dennoch Überraschungen. Aber im Nachhinein wird es sehr oft deutlich; eigentlich hätte ich da oder dort aufmerken müssen, da nahte sich etwas. Große Lebensereignisse oder andere wichtige nicht von uns selber abhängige Entscheidungen bleiben dennoch immer Überraschungen. Darum sollte liebevolle Aufmerksamkeit stets Begleiterin sein. Wir sollen nicht in die Zukunft blicken wollen. Das lehnt die Hl. Schrift für gläubige Menschen kategorisch ab. Aufmerksam sein heißt, hörend, offen bleiben, nicht fixiert sein auf nur eigene Vorstellungen, sondern in gewisser Weise sich prägen lassen durch das Wirken Gottes. Mit anderen Worten: Bereitschaft zeigen für die Überraschungen Gottes.
Ein zweiter Punkt scheint mir wichtig im Umgang mit den großen Themen unseres Lebens: Wirklich Großes kann in uns nicht ankommen, wird es nicht vorweg im Kleinen gespürt, ersehnt und gelernt. Das Leben ist die beste Schule des Glaubens.
Wir feiern in dieser Heiligen Nacht die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Wir feiern nicht nur, was einst geschehen ist, sondern das, was einst geschah ist, wie es in der Liturgie mehrmals in dieser Zeit heißt, im Heute, will Hier und Jetzt wirklich werden. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn wir sagen, heute feiern wir auch unsere Auferstehung. Der Heilige Apostel Paulus sagt: „Ihr seid mit Christus schon auferweckt.“ (Kol. 3,1) Auch das sind große, allzu große Worte, die im kleinen Einmaleins des Lebens gedeckt sein müssen. Diese Frage hat mich bewegt bei der Vorbereitung der Predigt. Hat sich konkret im Leben so eine Überraschung, der Ansatz von dem was Auferstehung meint, schon bei irgendjemandem gezeigt? Es ergab sich – gütiges Geschick – ich konnte diese Frage einer Person stellen in der Form: Was war in Ihrem Leben die größte Überraschung? Diese Person konnte ohne viel Nachdenken eine Antwort geben. In ihrer Familie geschah ein fürchterliches Unglück, der ganz plötzliche Tod eines Kindes. Die Mutter der Familie, eine gläubige Frau, aber von Natur aus sehr schwermütig, traf das naturgemäß besonders schwer. Der Rest der Familie war gerade darum in großer Sorge. Wie wird sie diesen Schicksalsschlag verkraften. Jedoch, nach einer Zeit der Trauer, die große Überraschung: diese leidgeprüfte Frau fand eine neue, stille, ohne großes Aufhebens, jedoch sehr tiefe Lebensfreude, wie sie es zuvor nicht erlebt hatte. Eine unaufdringliche Freude, die sie bis zu ihrem eigenen Lebensende nicht mehr verlassen hatte. Ein berührendes Zeugnis von Auferstehung im Leben, die – so glauben wir - auf eine endgültige verweist.
Liebe Schwestern und Brüder, das größte Hindernis des Glaubens sind nicht unsere Fehler, Sünden oder unser Scheitern, sondern Oberflächlichkeit. Vieles, was sich uns zeigen will kommt nicht wirklich bei uns an. Dabei geht es nicht anders als den Jüngern und Jüngerinnen damals. Jesus hat in seinem irdischen Wirken mehrmals sein Leiden und Sterben angekündigt, drei Mal hoch offiziell. Und er hat jedes Mal hinzugefügt, dass dieses so sein müsse und er werde auch auferstehen. Als es dann eintrat, konnte eigentlich niemand von Anhieb an glauben. Die frommen Frauen, von denen das Evangelium des heutigen Abends berichtet, gehen am Morgen zum Grab. Dabei waren sie ganz und gar darauf eingestellt, dort dem toten Leichnam mit ihren wohlriechenden Ölen Jesu den letzten Dienst zu erweisen. Ihre Sorge war allein, wer ihnen den Stein wegwälzen werden werde, denn der war sehr groß. Als sie am leeren Grab die Kunde von seiner Auferstehung hörten, erschraken sie sehr. Beim Evangelisten Matthäus heißt es: „Sogleich verließen das Grab voll Furcht...“ (Matth. 28, 8) Sie wagten es kaum zu glauben. Auch sie wurden überrascht.
An Auferstehung glauben heißt, Gott etwas zuzutrauen und zwar so, dass er im Kleinen zeigen darf, womit er uns einst im Großen überraschen möchte. Frank Sinatra habe auf seinen Grabstein schreiben lassen: „The best is yet to come!“ Das Beste kommt erst. Im Leben gibt es viel Gutes, Schönes, freilich auch so manche Mühseligkeit zu erfahren: Aber das Beste steht immer noch aus! Es kommt noch. Es möchte kommen. Diese Zusage soll uns aufmerksam und nachdenklich stimmen. Ostern sagt uns, es sei schon da, in kleinen Dosen, in unaufdringlich sichtbaren Zeichen. Geben wir dem Leben eine göttliche Chance. Das würde vieles verändern. Unser Umgang mit den Nächsten, den Hilfesuchenden; es würde leichter fallen, Vertrauen zu haben mit Menschen, die uns brauchen, die für uns in Gesellschaft und auch Kirche für uns da sind; es würde uns vor Hartherzigkeit bewahren helfen, um nicht mit überzogenen Ansprüchen aufzutreten; es würde uns gewiss auch helfen, nicht zu fordern, sondern auch Verständnis und Verantwortung für das Gemeinwohl aufzubringen. Und es würde mehr Licht und Freude in unsere Umgebung bringen. Denn es wartet auf uns eine trotz Ahnung und Ankündigung dennoch nicht erwartbare Überraschung. Der Herr ist auferstanden. Er ist uns vorausgegangen. Dort werden wir ihn sehen!
Amen!