Ohne sie steht alles still

Betriebsseelsorger aus Salzburg und Deutschland im Einsatz am Walserberg – im Bild Josef Krebs (Heilbronn) im Gespräch mit einem Fahrer.
SALZBURG (eds) / Eine Zeit lang war neben Ärzten oder Kassierern auch die Arbeit von Lkw-Fahrern in der Coronakrise öffentlich wertgeschätzt. Die Anerkennung als „Versorger der Nation“ ist längst wieder gewichen. Die Arbeitsbedingungen der Fernfahrer sind kaum Thema in der Gesellschaft. Die Betriebsseelsorge der Erzdiözese nimmt sich ihrer Sorgen und Hoffnungen an.
„Es ist einfach, mit einem Klick im Internet für 29 Euro bei einem Online-Riesen versandkostenfrei zu bestellen. Gedanken, auf wessen Kosten das so billig geht, macht sich kaum jemand“, sagt Heiner Sternemann. Der Betriebsseelsorger startet in der Erzdiözese die Fernfahrerseelsorge.
Das erste „Rausgehen“ zu den Truckern fand bereits statt – auf einen Rastplatz am Salzburger Walserberg. Mit den Männern in Kontakt zu kommen sei nicht schwierig. „Sie sind aufgeschlossen und reden über alles Mögliche: ihre Sehnsucht nach der Familie, die sie oft nur alle paar Monate sehen, aber auch religiöse Themen. Ein Vater erzählte stolz, dass er mit dem Fahren das Studium seines Sohnes finanziert.“
Hemmschuh für die Gespräche ist zum Teil die fehlende gemeinsame Sprache. Die Fahrer kommen hauptsächlich aus der Türkei, Osteuropa und den Balkanstaaten. „Dass ich Bosnisch spreche, macht es mir oft leichter“, sagt Sternemann. Sein Hauptanliegen bringe er sowieso mit wenigen Worten an den Mann: „Danke, du bist für uns unterwegs. Wir als Kirche interessieren uns für deine Lebens-und Arbeitssituation.“
„Kirche für Fernfahrer“ in St. Virgil
In Deutschland ist die Fernfahrerseelsorge als Teilauftrag der Betriebsseelsorge bereits etabliert. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Kirche für Fernfahrer“ trafen sich vor Kurzem im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil mit österreichischen Kollegen wie Heiner Sternemann.
„Der Fahrerberuf ist seit den 90er-Jahren immer prekärer geworden. Die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen treiben uns um bzw. auf die Autobahn und die Parkplätze“, erklärt Norbert Jungkunz aus Bamberg. „Als Betriebsseelsorger sagen wir zunächst einmal Danke. Das hören die Fahrer sowieso viel zu selten. Dann geht es darum, direkt und ungefiltert zu erfahren, was sie bewegt und was sie hoffen. Zusammengefasst möchten sie vor allem eines: Der Wettbewerbsdruck soll nicht auf ihren Rücken ausgetragen werden.“
Die „Kirche für Fernfahrer“ setzt sich zudem für faire Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsplatz Straße ein: Löhne, von denen die Leute und ihre Familien gut leben können oder Gesundheitszentren für Fernfahrer an den Logistikknotenpunkten.
Kritischer Blick auf den europäischen Mobilitätspakt
Der dieses Jahr beschlossenen EU-Mobilitätspakt soll für rund 3,6 Millionen Lkw-Fahrer bessere Zeiten bringen. Die Betriebsseelsorger sehen zumindest einen Teil der Maßnahmen unter dem Motto „gut gemeint, aber nicht umsetzbar und kontrollierbar“. So dürfen die Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit nicht mehr in der Kabine verbringen. „Das heißt sie müssen ihren Lkw und die Fracht allein lassen. Haften sie dann, wenn etwas gestohlen wird? Gibt es genügend Schlafunterkünfte? Wer zahlt dafür?“ Das seien die Fragen, die sich die Betroffenen stellen, wissen die Betriebsseelsorger.
Ökumenische Fernfahrerseelsorge in Salzburg
Die Fernfahrerseelsorge in Salzburg koordiniert Heiner Sternemann als ökumenisches und länderübergreifendes Projekt. Mit im Team sind der evangelische Pfarrer von Freilassing, Jürgen Henrich, und der katholische Betriebsseelsorger von Rosenheim, Alexander Kirnberger. Geplant sind regelmäßige Abstecher zu den Rastplätzen, um mit den Fahrern zu reden. „Wir haben kleine Holzkreuze und die von den deutschen Kollegen gestaltete ,Fahrerbibel‘, die wir ihnen mitgeben, wenn sie wollen.“ Ehrenamtliche Mitarbeitende, die slawische Sprachen oder Türkisch können, sind sehr willkommen. Weitere Schritte sind die Vernetzung und Gespräche mit der Polizei, der Gewerkschaft sowie Bürgermeistern von Gemeinden, in denen es Parkplätze gibt.
Die Betriebsseelsorge in der Erzdiözese Salzburg ist eine Einrichtung der Katholischen Aktion und gehört hier zum Bereich „Kirche und Arbeitswelt“.
Rückfragen und weitere Infos:
Betriebsseelsorger Heiner Sternemann, 0662/451290-12, 0676/8746-6954, heiner.sternemann@abz.kirchen.net