Oh Tannenbaum

Salzburg. „Nicht mal für einen Baum reicht es. Ich denke oft an die Kindheit, da hatten wir immer einen schönen Christbaum.“ „Ich bin am Heiligen Abend allein. Und ohne Christbaum ist es noch trostloser. Ich hätte es doch so gern ein wenig festlicher.“ Je näher der 24. Dezember rückt, desto öfter hört David Lang solche Aussagen. „Das Thema Weihnachten ist emontional besetzt und jeder hat Erinnerungen, in denen der Christbaum eine Rolle spielt“, weiß der Leiter des „ArMut teilen“-Projekts in der Salzburger Stadtpfarre Mülln.
Blick auf die seelische Armut
Die Menschen, die zu Lang kommen und vor seinem Schreibtisch im Pfarrbüro Platz nehmen, leben am Existenzminimum. Für sie ist es jeden Monat derart knapp, da bleibt einfach überhaupt nichts mehr übrig. Unvorhergesehene Ereignisse – der Kühlschrank gibt den Geist auf oder die Miete wird erhöht – dürfen nicht passieren. Der Wunschzettel der Kinder fürs Christkind ist da für Mütter oder Väter einfach nur ein Stressfaktor. Ein Festessen auf den Tisch bringen zu müssen, erzeugt weiteren Druck.
Wäre es da nicht sinnvoller Supermarkt-Gutscheine zu verschenken? Um das Materielle gehe es in seiner Beratungs- und Begleitungsarbeit ohnehin das ganze Jahr über, betont der Pastoralassistent. Und natürlich würden sich die finanziellen Sorgen zu Weihnachten nicht in Luft auflösen. Doch das sei nur die eine Seite. Er möchte gerade diese Zeit nutzen, den Fokus auch auf die seelische Armut lenken. „Wenn es gelingt, über den Baum Feierlichkeit und Geborgenheit zu bringen, freut mich das.“ David Lang organisiert zudem seit Jahren eine Weihnachtspackerlaktion für Kinder. Er überlegt im Vorfeld genau: Wer hat übers Jahr wie viel erhalten, wer kommt bei den Geschenken zum Zug, wer beim Christbaum? „Hätte ich 50 Gutscheine, ich hätte kein Problem sie unter die Leute zu bringen. Doch das gibt halt das Budget nicht her.“
Jedes Jahr zehn Prozent mehr Anfragen
„ArMut teilen“ basiert auf einer einfachen, aber wirksamen Idee: Wer genug hat, gibt jenen, die wenig haben. Im Jahr 2004 fiel der Startschuss in Mülln. Heute existieren Ableger in weiteren Stadtpfarren. 2015 hat „ArMut teilen“ insgesamt 1.300 hilfesuchenden Menschen mit 80.000 Euro unter die Arme gegriffen. Um zehn Prozent steigen die Anfragen jährlich, berichtet Lang, der alleine in seinem Gebiet jährlich 230 „Fälle“ betreut. „Es kommen Mütter, die nicht wissen, wie sie die Landschulwoche des Kindes zahlen sollen, die mit Miet- und Stromrückständen kämpfen oder die einfach nichts mehr haben, um Essen zu kaufen.“ Neben alleinerziehenden Frauen sei vor allem die Altersarmut fortschreitend.
Mit den Nordmanntannen von Stefan Kranzinger kann David Lang heuer 15 Menschen und Familien eine Weihnachtsfreude bereiten. Bauer Kranzinger findet es gut, dass es diese Aktion gibt. Nadelduft gehöre einfach zu Weihnachten – „wie die Geschenke“, lacht Stefan Kranzinger, der schon in dritter Generation Christbäume großzieht.
Foto (ibu): David Lang (r.) mit Stefan Kranzinger – seine Nordmanntannen aus dem Kobernaußerwald verbreiten Weihnachtsstimmung, heuer auch bei einigen „ArMut teilen“-Familien.