Österreichs Bischöfe warnen vor den Folgen des assistierten Suizids

WIEN (kap/eds) / Österreichs Bischöfe sehen mit großer Sorge, dass künftig auch in Österreich assistierte Suizid - unter bestimmten Voraussetzungen - möglich ist. Sie warnen in einer Erklärung zum Abschluss der Herbstvollversammlung in Wien vor den Folgen dieser Entwicklung. Zugleich weisen sie darin auf gravierende Mängel hin, die der aktuelle Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz enthält, mit dem Missbrauch verhindert werden soll. Die Bischöfe fordern zudem einen Rechtsanspruch auf Hospiz- und Palliativversorgung und die zeitnahe Sicherstellung der dafür nötigen Finanzmittel. Weiters sprechen sie sich für ein verfassungsrechtliches Verbot der "Tötung auf Verlangen" ein.
In allen Ländern, die eine Beihilfe zur Selbsttötung straffrei gestellt haben, zeige sich dieselbe besorgniserregende Entwicklung, halten die Bischöfe in ihrer Erklärung fest: Innerhalb kürzester Zeit werde aus dem Ausnahmefall eine gesellschaftlich akzeptierte Normalität und aus der Straffreiheit ein einklagbares Anspruchsrecht. Damit dies in Österreich möglichst nicht passiert, habe sich die Österreichische Bischofskonferenz an der aktuellen Gesetzesbegutachtung beteiligt, ohne dabei freilich die Beihilfe zur Selbsttötung gutzuheißen.
"Mängel, die nicht akzeptabel sind"
Im Blick auf den Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz sprechen die Bischöfe von "Mängeln, die nicht akzeptabel sind". So sei etwa verabsäumt worden, die nach ärztlicher Aufklärung äußerst notwendige Bedenkfrist von zwölf Wochen und die darauffolgende Errichtung einer Sterbeverfügung zwingend vorzuschreiben. Damit missachte der Gesetzesentwurf die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes. Dieser habe nämlich gefordert, dass für die Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid die Dauerhaftigkeit des Suizidwunsches und die tatsächliche Entscheidungsfähigkeit des Suizidenten festgestellt werden müssen. Beides garantiere der vorliegende Gesetzesentwurf nicht, solange die Errichtung einer Sterbeverfügung - besser wäre die Bezeichnung "Suiziderklärung" - nicht strafrechtlich verpflichtend ist.
Der vorliegende Entwurf zeige freilich das Bemühen, die vom Verfassungsgerichtshof straffrei gestellte Suizidassistenz vor Irrtum, Übereilung und Missbrauch zu schützen. Das sehe man etwa im Versuch einer Einschränkung des Personenkreises, der von einer Suizidbeihilfe Gebrauch machen darf, oder auch im Verbot der Bewerbung und Geschäftemacherei. Ebenso notwendig sei auch die im Entwurf vorgesehene strukturierte Beratung und Aufklärung des Suizidwilligen, bei der alle palliativmedizinischen Alternativen zur Selbsttötung aufgezeigt werden müssen. Noch deutlicher als bisher müsse aber im künftigen Gesetz das Benachteiligungsverbot formuliert werden, das privaten Trägerorganisationen die Freiheit garantiert, in ihren Häusern Suizidassistenz weder anbieten noch dulden zu müssen, halten die Bischöfe fest.
Für Assistenz zum Leben
Aus Sicht der Bischofskonferenz ist die Legalisierung der Suizidbeihilfe Teil eines schleichenden Kulturbruchs, der sich der Illusion einer totalen "Machbarkeit" des Lebens verschrieben hat. Jede Form von Mangel, Beeinträchtigung, Leiderfahrung und Krankheit werde als nicht zu duldendes Versagen gewertet. Gemäß dieser Logik sei nun auch das Sterben technisch und juristisch "korrekt" machbar geworden. Leider gehe mit diesem Zugriff auf das Leben auch eine gefährliche Entsolidarisierung in der Gesellschaft einher, warnen die Bischöfe und betonen zugleich: "Wie können wir dieser Entwicklung begegnen? Mit Sicherheit brauchen wir mehr Achtsamkeit füreinander und die Bereitschaft zu einer vielfältigen 'Assistenz zum Leben'. Sie ist ein Dauerauftrag!"
Besonders besorgniserregend ist für die Bischöfe eine gefährliche Werteverschiebung im Sprachgebrauch, wenn im aktuellen Diskurs von einem "Sterben in Würde" die Rede ist, das scheinbar alternativlos nur durch eine Selbsttötung möglich sein soll. Diese manipulative Rede verkenne nicht nur die Tatsache, dass jeder Suizid eine menschliche Tragödie bleibt. Es werde auch all jenen Unrecht getan, "die bisher menschenwürdiges Sterben durch eine verlässliche und achtsame Begleitung ermöglicht haben und dies auch in Zukunft tun werden". Die Bischöfe begrüßen in diesem Zusammenhang den dringend notwendigen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich.
Bischöfe mahnen noch entschiedenere Schritte im Klimaschutz ein
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen sind noch entschiedenere Maßnahmen im Klimaschutz notwendig. Das mahnen die österreichischen Bischöfe in einer Erklärung zum Abschluss der Herbstvollversammlung des heimischen Episkopats ein. "Noch stehen die Ergebnisse des Klimagipfels nicht endgültig fest, aber schon jetzt ist klar, dass noch entschiedenere Schritte nötig sind, um - wie von Papst Franziskus und den Repräsentanten der Weltreligionen gefordert - so schnell wie möglich einen Netto-Kohlendioxid-Ausstoß von Null zu erreichen", so der Erklärungstext.
Nur wenn die globalen Treibhausgasemissionen in den kommenden neun Jahren halbiert werden, könne der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf maximal 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, so die Bischöfe.
Die Bischöfe verwiesen in ihrer Erklärung auf das Treffen von knapp 40 Religionsführer fast aller Weltreligionen, das am 4. Oktober dieses Jahres, dem Gedenktag des hl. Franz von Assisi, im Vatikan stattgefunden hat. Bei diesem haben die Weltreligionen, gemeinsam mit Wissenschaftlern, dazu aufgerufen, weltweite Klimaschutzmaßnahmen umgehend zu intensivieren. Adressat des Appells, den die österreichischen Bischöfe unterstützen, sind die Teilnehmer des COP26-Klimagipfel in Glasgow.
Bischöfe wollen "Pflege absichern und Einsamkeit verhindern"
"Pflege absichern und Einsamkeit verhindern": Das ist ein Anliegen der österreichischen Bischöfe, dessen Dringlichkeit nicht erst die Corona-Pandemie verdeutlicht habe, wie es in einer Erklärung zum Abschluss der Herbstvollversammlung des heimischen Episkopats heißt. Sie fordern dazu eine Ausbildungs- und Personaloffensive ebenso wie die langfristig abgesicherte Finanzierung durch den Pflegefonds. Die seit Jahren zunehmenden Versorgungsprobleme und immer lauter werdenden Hilferufe von Trägerorganisationen erfüllen die Bischöfe mit Sorge. Pflege und Betreuung seien "systemrelevant" und "zentrale Aufgaben für eine humane Zukunft unserer Gesellschaft".
Der Personalnotstand betreffe nicht nur die Mitarbeitenden in der Pflege, sondern auch pflegende Angehörigen und pflegebedürftigen Menschen selbst. Um dieses Berufsfeld attraktiver zu machen und dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, sollte über ein Einkommen während der Ausbildung nachgedacht werden, regen die Bischöfe an.
Die Pflege in Österreich werde zu über 80 Prozent von Familienmitgliedern oder nahestehenden Personen übernommen, diese leisten laut den der Bischofskonferenz vorliegenden Zahlen nach wie vor den größten und wichtigsten Pflegedienst der Republik. "Diese Personen gilt es zu entlasten und ihre Situation zu verbessern, denn ohne das Engagement pflegender Angehörige würde das Pflegesystem zusammenbrechen", betonen die Bischöfe. Ihre Vorschläge dazu sind mehr Entlastung durch den Ausbau von Tageszentren oder den Anspruch auf pflegefreie Tage.
Die Bischofskonferenz spricht sich auch für einheitliche Bedingungen für alle Pflegebedürftigen vom Burgenland bis Vorarlberg aus und greift damit eine Forderung der Caritas auf. Verbesserungen seien auch beim Pflegegeld notwendig, besonders zu berücksichtigen dabei dementielle Erkrankungen.