Mit dem ganzen Leben antworten

RB: Spätestens seit Maslow’s Bedürfnispyramide wissen wir, dass Menschen nach Selbstverwirklichung streben. Bedeutet das Leben im Orden für Sie Selbstverwirklichung?
Katharina Fuchs: Im Zugehen auf den Schritt, ob ich Ordensfrau werden will, riet mir eine Vertrauensperson davon ab. Sie meinte, ich könne mich so nicht selbst verwirklichen, weil ich keine Entscheidungsfreiheit mehr haben würde und mich nicht weiterentwickeln könnte. Doch ich hatte ein Bild von einem Rahmen vor mir, der meinem Leben Halt gibt. Die geistliche Ausrichtung und die Struktur meiner Ordensgemeinschaft geben meinem Leben ein Bachbett, wo das Wasser in eine bestimmte Richtung fließt. Ohne diesen Rahmen, ohne Ordensregeln, wären es vielleicht viele unkoordinierte Bächlein. Also: Ja, das Leben im Orden ist für mich Selbstverwirklichung. Ich verwirkliche etwas, was ich in mir grundgelegt finde und verbinde es mit dem Ruf Gottes. Das ist für mich Selbstverwirklichung. Ich bin glücklich, weil ich das Gefühl habe auf einen Ruf Gottes, der mir durch eine bestimmte Ordensgemeinschaft nahegekommen ist, mit meinem ganzen Leben zu antworten.
RB: Menschen, die im Kloster leben, werden manchmal als „verstaubt und weltfremd“ angesehen. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Katharina Fuchs: Mein Arbeitsalltag ist bestimmt von der Sendung nach außen zur Welt und nach innen zur Ordensgemeinschaft; zweitens vom Rahmen, den sich die Gemeinschaft gibt; und drittens von meinem persönlichen geistlichen Leben. Diese drei Säulen muss ich im Alltag unterbringen. Man kann es gut vergleichen mit dem Pensum, das eine berufstätige Mutter hat, (überlegt kurz) vielleicht nicht unbedingt eine alleinerziehende Mutter.
Mein Tag ist so strukturiert, dass ich die Sendung nach innen gut mit meiner Sendung nach außen verbinden kann. Als Pastoralassistentin arbeite ich ab September im Referat für Berufungspastoral, im TheologInnen-Zentrum und im Raphael Hospiz als Musiktherapeutin. Abends haben wir eine Gebetszeit in der Gemeinschaft. Wir beten die Vesper und erzählen uns, was uns am Tag bewegt hat. Einmal im Monat machen wir einen gemeinsamen stillen Tag. Wir schalten das Handy aus, legen die Zeitung beiseite und hören auch kein Radio. Mein persönliches Gebetsleben und das der Gemeinschaft ergänzen sich.
RB: Die evangelischen Räte, an denen sich ein Ordensleben orientiert, klingen für die Allgemeinheit wenig attraktiv. Wie geht es Ihnen mit dem Versprechen der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams gegenüber Gott und dem Orden?
Katharina Fuchs: Nun, das Ordensleben wählt man (lacht) und die Gelübde sind zum stetigen Hineinwachsen! Man beschäftigt sich mit den evangelischen Räten eingehend in der Ordensausbildung. Der Gehorsam ist Grundlage für das gemeinsame Tragen einer Berufung. Wir wollen gemeinsam Jesus nachfolgen, das geht nur, wenn wir uns untereinander gut organisieren und dann unser Leben ganz auf ihn ausrichten. So wird Gehorsam zu Vertrauen: Im Heiligen Geist vertrauen wir darauf, dass jede von uns das Beste für die andere will. Bei der Ehelosigkeit merkte ich, dass ich glücklicher bin, wenn ich für alle Menschen da bin. Doch es ist auch ein Verzicht. Der Verzicht nicht Mutter zu werden, heißt etwas sehr Kostbares aufzugeben. Ich lebe meine mütterlichen Züge in der Pastoral. Das ist einfach ein anderer Weg, um Fruchtbarkeit zu leben. Was die Armut betrifft, werde ich äußerlich nicht so stark geprüft. Ich lebe im privilegiertesten Teil unsere Erde und muss meine Existenzgrenzen nicht austesten. Umso mehr muss ich mich fragen, ob ich alles, was ich habe, wirklich als Geschenk von Gott annehme – dann kann ich auch alles teilen, oder darauf verzichten.
RB: Ein Gedanke, den Sie Menschen auf ihrer Suche nach Gott mitgeben möchten.
Katharina Fuchs: Horch hin, Gott ist in dir, er spricht in dir! Hab Mut, weil, er liebt dich. Er hat Gutes vor mit dir.
Interview: Gisela Hartinger, Mattsee/ibu
Hintergrund
Katharina Fuchs (40) ist in Graz geboren, hat in Wien studiert und lange Zeit in Oberösterreich gearbeitet bevor sie 2013 in die Kongregation der Helferinnen eingetreten ist. Ihre Ordensgemeinschaft sendete sie vor zwei Jahren nach Salzburg. Ab 1. September arbeitet sie im TheologInnenzentrum und im Referat für Berufungspastoral als Seelsorgerin sowie im Raphael Hospiz der Barmherzigen Brüder als Musiktherapeutin, ihrem ersten Beruf. Die Kongregation der Helferinnen ist eine internationale, katholische Ordensgemeinschaft. Sie wurde 1856 in Paris von Eugénie Smet gegründet. In Salzburg leben und wirken derzeit drei Schwestern.
Foto: Sr. Katharina Fuchs sa in einem Sari – zum indischen Subkontinent hat sie eine besondere Beziehung. Sie hat indischen Tanz studiert und bei der Ordensgemeinschaft in West Bengal mitgelebt.