Migration ist normal

Salzburg. Von den rund 150.000 Salzburgern und Salzburgerinnen sind rund 73 Prozent österreichische Staatsbürger, etwas mehr als ein Viertel ist zugezogen. Sie kommen aus 140 Ländern. Was viel klingt, ist es eigentlich nicht: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren rund 66.000 Flüchtlinge in Salzburg, die Stadt hatte 80.000 Einwohner. Übrigens: Auch fast alle Erzbischöfe waren Zuwanderer, selbst Salzburgs Landespatron, der hl. Rupert, war ein fränkischer Adeliger, der in missionarischem Auftrag nach Salzburg kam. Die Stadt verdankt letztlich ihr charakteristisches Aussehen zu einem Gutteil italienischen Baumeistern und Architekten. „Zuwanderer haben die Geschichte des Landes entscheidend mitgeprägt“, sagt Ingrid Tröger-Gordon von der Kulturabteilung der Stadt bei der Präsentation des Migrationsarchivs: „Die Lebendigkeit und die Vielfalt unserer Stadt ist auch aufgrund der vielen Menschen vorhanden, die sich hier angesiedelt haben, die hier gearbeitet haben und arbeiten, die hier leben.“
Kooperation von Universität und Stadt
Seit einigen Jahren setzt sich die Stadt intensiv mit den vielen Formen und Ursachen von Zu- und Abwanderung auseinander. Ziel: Die Akteure und Akteurinnen sichtbar machen. Dabei kommt dem neuen Migrationsarchiv im Haus der Stadtgeschichte eine wichtige Funktion zu. „Mit dem Migrationsarchiv, das in Österreich das erste ist, nimmt die Stadt Salzburg eine wichtige Vorreiterrolle ein“, freut sich Historikerin und Vizerektorin der Uni Salzburg, Sylvia Hahn. „Ob ökonomisch bedingt, ökologisch aufgrund des Klimawandels verur-
sacht, gesellschaftlich-religiös erzwungen, von Diktaturen vertrieben oder geflüchtet – Migration war immer da und wird immer da sein, solange es Menschen auf diesem Planeten gibt.“ Mit dem Migrationsarchiv möchten Stadt und Universität der Öffentlichkeit vermitteln, „dass Migrationen ein Teil unseres Lebens sind wie Geburt, Arbeit, Liebe und Tod“, so Hahn. Geschichten und Fotos sollen als Gedächtnis in das Stadtarchiv eingehen und aufbewahrt werden.
Der Migrationsbegriff wird dabei weit gefasst, betont Projektleiterin Sabine Veits-Falk: „Da zählt einerseits der gesamte Bereich der Binnenmigration dazu, etwa wenn Ober-österreicher nach Salzburg ziehen, aber natürlich auch der ganze Bereich der Arbeitsmigration.“ Das im Haus der Stadtgeschichte öffentlich zugänglich Migrationsarchiv umfasst derzeit rund 1.000 Dokumente – Fotos, Ausweise, Zeugnisse und Interviews. Ein Teil davon ist online abrufbar. In den historischen Beständen und Sammlungen des Stadtarchivs befinden sich außerdem zahlreiche Quellen zur Migrationsgeschichte.
Menschen erzählen ihre Geschichte
50 Menschen haben die Geschichte ihrer Einwanderung bereits erzählt. Einer von ihnen ist Idris Işik. Er kam im April 1977 aus der Türkei nach Bischofshofen, wo er als Maler tätig war. 1978 begann er bei der ÖBB zu arbeiten und blieb bis zu seiner Pensionierung in diesem Betrieb. In den Interviews spricht er über die Arbeitssuche in Öster-
reich oder die Trennung von den Kindern, die zeitweise bei den Großeltern in der Türkei lebten. Vor dem Internetzeitalter blieb nur das Telefon um Kontakt zu halten. Işik erinnert sich, dass sie meist kaum miteinander sprachen, sondern nur weinten und das kostete viel Geld. „Die Anrufe waren sehr teuer und kosteten auch mal 500 Schilling.“
Das Migrationsarchiv wird laufend mit weiteren Lebensläufen ergänzt und das Historikerteam lädt Zuwanderer ein: Erzählen Sie uns Ihre Migrationsgeschichte!
TIPP: Migrationsarchiv online unter <link http: www.stadt-salzburg.at migrationsarchiv>www.stadt-salzburg.at/migrationsarchiv
Foto (Stadtarchiv Salzburg). Das Migrationsarchiv macht Menschen wie Lidija Sućeska (Bosnien und Herzegowina) sichtbar. Das Bild zeigt sie in ihrem Geschäft in Salzburg.