Mariä Emfpängnis
Schwestern und Brüder im Herrn!
Wir sind wiederum im Advent angekommen, in der so genannten stillen Zeit, von der Karl Valentin einmal gesagt haben soll: „Nach der Stille wird es schon wieder etwas ruhiger werden.“ Es geht rund, Aufregungen herrschen; auch in der Kirche. Seit zwei Jahren ist der synodale Prozess im Gange. Die erste Synodenversammlung in Rom hat Aufsehen erregt und Erwartungen geschürt. Jetzt muss sich etwas ändern! Wenn sich jetzt nichts ändert, dann werden uns noch die letzten Treuen auch verlassen, so bekomme ich es von allen Seiten zu hören.
Nun möchte ich grundsätzlich gegen Änderungen gar nichts zu sagen; ich kenne den Spruch: „Leben heißt sich wandeln, vollkommen sein heißt sich oft gewandelt zu haben.“ Jedoch hat die Geschichte einen Haken: Man meint heute genau zu wissen, was geändert werden muss. Erst gestern hatte ich wieder so ein Gespräch: „Heute sind die Dinge eben so; das sind die Errungenschaften der Zeit, darum muss sich eine Heilsgeschichte, selbst wenn sie schon 2000 Jahre dauert, ändern“, lautete die vorwurfsvolle Ansage. Ich will solche Gespräche, die ich zuhauf führe, nicht einfach vom Tisch wischen; sie sind durchaus wichtig, spiegeln sie doch Erlebnisse und Einsichten wider. Ich habe allerdings nie wirklich das Empfinden, in den Argumenten werde von Gott hergedacht – dabei muss doch Gott in der Kirche an der ersten Stelle stehen und nicht der Mensch oder rein menschliche Interessen. Der Mensch steht nur dann an erster Stelle, wenn er in Not ist. Dann muss man helfen und Hand anlegen. Aber grundsätzlich ist dem nicht so. Die hierarchische Ordnung, die vertikale Ausrichtung wird allzu schnell in eine horizontale verlegt. Das heutige Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria gibt dazu ein lehrreiches Beispiel.
Der Engel Gabriel wurde von Gott in eine Stadt namens Nazareth zu einer Jungfrau gesandt. Der Engel tritt bei ihr ein und grüßt sie nicht mit ihrem Namen, sondern spricht sie als „Begnadete“ an. Dieses Wort „begnadet“ macht vorweg deutlich: Gott hat schon gehandelt. Mit anderen Worten sagt also der Engel: Gott ist es der Gnade, Anmut und Liebreiz schenkt. Nicht eigenes Handeln, nicht eigener Verdienst oder allein menschliche Erwartung. Gott ist es, der dich, Maria, von der Erbsünde bewahrt hat, um dich für einen besonderen Dienst zu bereiten. Aufgrund dieser Zusage Gottes wird Maria „voll der Gnade“ genannt. Das erste Wort des Engels lautet: „Sei gegrüßt, du Begnadete“, so beten wir auch im Ave Maria. Noch genauer müsste es gemäß dem griechischen Originaltext heißen „Freue dich“, und das mit Recht, denn der Engel setzt fort: „der Herr ist mit dir.“ Bei der Gnade des Herrn ist auch die Freude immer schon dabei.
Liebe Schwestern und Brüder, als Getaufte, Gefirmte, als gläubige Menschen dürfen wir fest und innig glauben: „Der Herr ist mit uns!“ Das ist die frohe Botschaft, die Hoffnung und Freude. Auf diesem Wege sind auch wir Begnadete in der Gegenwart Gottes. Leider Gottes merkt man es uns so wenig an. Vor vielen Jahren bin ich mit einem Mitbruder – ich habe es schon öfter zitiert – in Rom durch die Stadt gegangen. Da ist uns ein Ordensmann entgegen gekommen, der wirklich griesgrämig dreinblickte. Mein Mitbruder sagte: „Wenn das die frohe Botschaft ist, will ich die schlechte nicht wissen.“ Nietzsche sagte auch einst: „Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“ Diese Freude ist uns also geschenkt, weil Gott mit uns ist!
Zurück zum Evangelium, zur frohen Botschaft am heutigen Tag. Nach dem Gruß des Engels kommt die schier unglaubliche Botschaft: „Fürchte dich nicht Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden, …du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären.“ Maria war verlobt, aber sie lebte noch nicht mit einem Mann zusammen. Darum auch die höchst verständliche Rückfrage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Darauf antwortet der Engel: „Heiliger Geist wird über dich kommen, die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“
Wiederum, die Initiative geht allein von Gott aus. Von ihm kommt die Gnade; für uns ist Gnade immer auch Aufgabe. Er schenkt Überschattung durch seinen Hl. Geist. Für Maria, die begnadete Jungfrau, bedeutet dies, sie soll Mutter werden. Maria wird durch diese Gnade in den Dienst gestellt, nämlich Mutter der verkörperten Gnade Gottes zu sein. Mutter-Sein hat in den Augen heutiger Zeit bedauerlicherweise seine Würde eingebüßt. Da ist etwas verloren gegangen, das es wieder zu entdecken gilt. Denn Urbild jedes mütterlichen Daseins liegt im heilsgeschichtlichen Faktum, dass Gott sich als kleines Kind der Fürsorge nicht des Tempels, nicht der Hohepriester, sondern einer Mutter anvertraut hat.
Maria vertraut sich ganz der Vorsehung Gottes an. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.“
Das II. Vaticanum hat Maria als Urbild der Kirche bestimmt. Maria wird durch ihre Bereitschaft auf Gott sich einzulassen „Braut des Heiligen Geistes“ genannt. Bei allen großen Entscheidungen in der Kirche wurde Maria stets angerufen. In besonderer Weise taten dies die letzten Päpste, so tut es auch Papst Franziskus. Der Grund liegt wohl darin, dass sie sich auf eine Überschattung des Heiligen Geistes eingelassen hat, die ohne Vergleich in der ganzen Heilsgeschichte dasteht. Papst Franziskus nennt den Hl. Geist als Protagonisten der Synode. Was das bedeutet, lehren uns Beispiel und Zeugnis Mariens: Der entscheidende Impuls kann nicht von uns kommen, er kann nicht von der Mehrheit kommen; er kommt von Gott oder er kommt nicht. Darin liegt unser Wagnis; daraus ergibt sich auch für uns die Aufgabe, Magd und Knecht des Herrn zu sein.
„Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes; Amen!“