Maria-Namen-Feier
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium, die frohe Botschaft unseres Herrn Jesu Christi, liegt quer zu unserem Verständnis und unserer Selbsteinschätzung von Prioritäten. Vergegenwärtigen wir uns das soeben Gehörte: Jesus möchte wissen, was die Menschen von ihm denken; wer er sei und was sie von ihm halten. Er hält eine Art von Umfrage, wie sie heutzutage geradezu täglich gemacht werden.
Ja, was dachten die Menschen von damals von Jesus? Die Antworten könnten durchaus aus unserer Zeit stammen. Die einen sagen, er ist Johannes der Täufer, andere meinen, er sei der wiedergekommene Elias, wieder andere halten ihn für einen von den Propheten. Aber Jesus – so scheint es – ist gar nicht so sehr daran interessiert, was die Menschen allgemein denken, vielmehr fragt er seine Jünger: „Für wen haltet ihr mich?“ Und da ist es Petrus, der in die Bresche für alle springt, und ein wunderbares Bekenntnis ablegt. „Du bist der Christus!“
Von Petrus stammen die schönsten Christusbekenntnisse. Das zeichnet diesen ersten der Apostel so sehr aus, hebt ihn heraus von den übrigen. Jedoch wie reagiert Jesus auf das Bekenntnis? „Er gebot ihnen, niemandem etwas über ihn zu sagen.“ Schweigen ist angesagt. Und das liegt gänzlich quer zu unserem Verständnis. Wie denn schweigen? Sollen wir nicht sagen, es von den Dächern verkünden, wer da unter uns ist? Man bläut es uns bei allen unseren Zukunftsprozessen ein: Wir müssen reden, wir sollen unsere Botschaft mit allen Mitteln der Kommunikation bewerben. Doch offensichtlich folgt das Evangelium in den wesentlichen Momenten unserer Heilsgeschichte einer anderen Logik.
Ich gestehe und bekenne, langsam beginne ich diese Logik des Evangeliums, bei allen Regungen des Glaubens erst einmal zu schweigen, zu verstehen. Zwei Dinge haben mir dabei sehr geholfen: ein Buch des Bibelwissenschaftlers Klaus Berger und die Beschäftigung mit der Synodalität. Von Klaus Berger wurde posthum das Buch „Schweigen – Eine Theologie der Stille“ veröffentlicht. Darin heißt es: Gott spricht durch Schweigen. Der Heilige Geist ist Schweigen dort, wo zuvor geredet wurde. Gottes Wort ist uns niedergelegt in den Evangelien, diese sollten wir hören, lesen und verkünden. Bei all dem jedoch, was wir tun, beten, verkünden, wo wir Menschen in Not helfen, möge unser Innerstes schweigend wachen. Das bedeute im Heiligen Geist sein. Der Heilige Geist habe immer ein Mitspracherecht. Das gelte besonders für das Beten.
Zum anderen, wie gesagt, die Beschäftigung mit der Synodalität. Wie nach drei Jahren allseits bekannt ist, hat Papst Franziskus eine Bischofssynode zum Thema „Synodalität“ ausgerufen. Es ist doch höchst bemerkenswert, dass nach fünfzehn Bischofssynoden der Papst die sechzehnte zum Thema Synodalität einberuft; das heißt, die Bischöfe sollen unter Beteiligung und erstmals mit Mit- und Abstimmungsrecht des ganzen Volkes Gottes über das Wesen einer Synode meditieren und nachdenken. Der Papst sagt uns auch, wie wir das tun sollen. Nämlich in kleinen Runden uns versammeln, mit einem Gebet beginnen, und dann erst einmal einige Minuten lang still sein, hörend werden; sich öffnen für den Heiligen Geist; diesem gleichsam Raum geben; ihm in unserer Herzenskammer ein Gastzimmer bereiten und ständig bereithalten. Der Heilige Geist – das ist meine Lebens- und Glaubenserfahrung – kommt unangemeldet. Er kommt auch nicht auf Zuruf, so nach der Art: Jetzt komm herbei und hilf mir! Diese Art zu beten hat Eugen Roth einmal treffend beschrieben: „Ob der das Beten je begreift, der Gott wie einen Dienstmann pfeift.“ Nach dieser Zeit des Schweigens kommt das Reden. Und zwar soll jeder einzelner/jede einzelne aus der je eigenen Glaubenserfahrung und Glaubensverantwortung eine kurze Zeit lang reden.
Jeder Getaufte hat auch eine Glaubensverantwortung; man darf diese nicht nach oben oder auf andere hin delegieren. Wichtig ist auch, wie wir uns in die Kirche vor Ort und auch in die Universalkirche einbringen. Erstens sollen wir mit allem andockfähig und ergänzungsbedürftig bleiben. 100%-Aussagen, die alles von vornherein festsetzen, sind nicht erwünscht. Besonders wichtig ist, dass wir uns in indifferenter Weise in die Gemeinschaft der Glaubenden einbringen. Indifferent heißt hier nicht gleichgültig, sondern dass ich mit dem, was ich sage, nicht mich selbst mitbringe. Es ist wie beim Schenken; ein Geschenk muss man loslassen und nicht sich selbst ständig beim Beschenkten in Erinnerung bringen. Die Wahrheit des Glaubens ist uns gemeinsam und in seiner Endgültigkeit der Kirche anvertraut.
Liebe Schwestern und Brüder, unser Glaube, muss von einer synodalen Haltung geprägt sein. Glauben heißt feststehen in dem, was man hofft und nicht sieht. So steht es im Hebräerbrief geschrieben. Papst Benedikt hat in der Enzyklika „Spe salvi“ diesen Satz gedeutet: Glaube speist sich nicht aus vorgestellten Erwartungen, sondern Glaube ist in seinem tiefsten Sinn Hoffnung, die nicht sieht, nicht weiß, sondern offen ist auf das Wirken durch den Heiligen Geist.
Schauen wir nun auf Maria. Ihre außergewöhnliche Mission beginnt mit einer von ihr nicht erwartbaren Zusage durch den Himmelsboten: „Du wirst einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesu geben.“ Da gab es nichts zu sehen, nichts zu wissen und zu erwarten, sondern nur zu vertrauen. Auf ihre ängstliche Frage, wie denn das geschehen solle, gab der Engel die Antwort: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ Maria hat dem Heiligen Geist Raum gegeben, er hat ihr Leben auf einzigartige Weise bestimmt. Nun liegt es an uns, Gleiches zu tun.
Am Anfang dieser großen Gebetsbewegung des Rosenkranz-Sühnekreuzzugs steht ein Wort, das P. Petrus in Mariazell betend vernommen hat. „Wenn ihr tut, was ich euch sage, dann wird Friede sein.“ P. Petrus hat dieses Wort so verstanden und diese Gebetsgemeinschaft gegründet. P. Benno hat diesen Auftrag treu und mit viel Hingabe weitergeführt. Und auch wir wollen auf diesen Weg weitergehen.
Denn Friede ist ein allzu kostbares Gut geworden. So verstehen wir dieses marianische Ursprungswort an P. Petrus in rechter Weise. Aber wir sind auch aufgerufen es immer wieder neu und tiefer zu verstehen. „Wenn ihr tut, was ich euch sage...“ Was sagt uns denn Maria? Von ihr ist während des öffentlichen Wirkens nur ein Satz überliefert: „Was er euch sagt, das tut!“ Wir sollen auf das Wort Gottes hören und danach handeln. So werden wir in unserer Zeit nach Jesu Wort für ihn Mutter, Bruder oder Schwester.
Irgendwo habe ich gelesen oder gehört, dass eine Botschaft immer aus zwei Teilen besteht: aus dem Gesagten und dem nicht Gesagten. So glaube ich ist es auch wichtig im Sinne der ganzen Wahrheit, darauf zu achten, was Maria nicht getan und nicht gesagt hat. Sie war einfach da. Sie ging mit. Ich glaube nicht, dass an jener Stelle im Evangelium, als die Verwandten und mit ihnen die Mutter einmal Jesus heimholen wollten, weil sie ihn nicht mehr ganz von Sinnen hielten, Maria das auch von ihrem Sohn glaubte. Aber sie ging mit. Unter dem Kreuz war sie nur mehr die Ausharrende. Gerade in ihrem schweigenden Dasein, in ihrer stillen Anwesenheit bleibt sie Zeugin von Gottes Sprechen im Schweigen. Dieses beredte Schweigen inmitten einer verschreckten Jüngerschar setzt sich fort nach Auferstehung und Himmelfahrt. So verstehe ich es als einen Akt himmlischer Logik, dass laut Tradition und Heilsgeschichte Maria beim Pfingstereignis anwesend war. Denn wo Maria ist, da ist der Heilige Geist nicht fern.
Ich weiß, die Predigt ist etwas lang geworden. Aber ich möchte zum Abschluss und bevor wir das Glaubensbekenntnis beten einladen, zwei Minuten vor Gott einfach still zu sein, so wie es von der ersten Synode berichtet wird: „Und die ganze Versammlung schwieg.“