Haiti. Das ärmste Land Lateinamerikas. „Vor der Reise hab ich das gewusst, während der Reise hab ich es gespürt und jetzt nach der Reise erfüllt es mich mit Wut und Traurigkeit“, erzählt MIVA-Geschäftsführerin Christine Parzer von ihrem Projektbesuch.
Port-au-Prince. Wut weil es ein unsagbar schönes Land ist. Unendliche, hügelige, grüne Landschaften, türkisgrünes Meer, weiße Sandstrände. Doch all das ist nur die Umrandung einer traurigen Wirklichkeit. Port-au-Prince – die dreckigste Hauptstadt die ich je gesehen habe. Die Menschen leben in einfachsten Behausungen zwischen stinkenden, schmutzigen Müllbergen. Wie es möglich ist, in den Slums dieser Stadt zu leben, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Aber immerhin (über)leben dort 400.000 Menschen der rund 1,4-Millionen-Stadt. Port-au-Prince gleicht einem großen Armenviertel, lediglich in einem kleinen Stadtteil leben ein paar wohlhabende Haitianer.
Die Armut war auf der ganzen Reise hindurch spürbar. Rund 80 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Wütend macht auch die Geschichte Haitis. Die rund zehn Millionen Einwohner Haitis sind afrikanischer Abstammung. Ihre Vorfahren wurden als Sklaven für die Arbeit auf Zuckerplantagen eingesetzt. Die indigene Urbevölkerung wurde zuvor fast vollständig ausgerottet. Es macht traurig zu sehen und zu spüren, dass „die Haitianer“ eigentlich Afrikaner sind, die sich bis heute nicht heimisch auf der Insel fühlen. Gespräche mit MIVA-Projektpartnern haben immer wieder ergeben, dass viele Haitianer unter anderem aus diesem Grund verbittert sind. Doch neben all den schockierenden und traurigen Erlebnissen gab es auch positive und motivierende Momente auf der Reise. Wir besuchten einige Projektpartner, die unter anderem Schulen betreiben. Die Kinder waren fröhlich und stolz darauf, die Schulbank drücken zu dürfen. Bildung wird auf Haiti groß geschrieben.
Mit dem Muli zum Markt
Auf einen besonderen Tag auf Haiti möchte ich noch näher eingehen: Wir besuchten eines unserer Maultierprojekte. Nach einer dreistündigen Autofahrt von Port-au-Prince Richtung Süden erreichten wir den Projektort Jacmel. Es begrüßte uns ein junger Mann – Charlemagne Baccus. Er ist verantwortlich für das Projekt und hat für seine Initiative bereits 15 Maultiere von der MIVA erhalten. Wir wanderten mit Baccus und seinem Großvater in die Berge Haitis. Dabei erzählte er das Anliegen der Initiative: Sein Großvater lebt schon sein ganzes Leben in den Bergen und es ist ihm ein großes Anliegen, dass die Lebensumstände des Bergvolkes verbessert werden. Die Initiative bietet unter anderem Fortbildungen im landwirtschaftlichen Bereich an. Die Familien sollen nicht nur für den Eigenbedarf produzieren, sondern auch darüber hinaus. Dadurch können sie ihre Waren am Markt verkaufen.
Wir kamen mit den Frauen ins Gespräch, die bereits von den MIVA-Mulis profitieren. Sie nutzen die Maultiere unter anderem zum Krankentransport, aber in erster Linie um ihre Waren zum Markt zu transportieren. Der Weg dorthin ist steil und dauert zwei bis drei Stunden. Vor dem Maultier haben die Frauen die Waren mühsam auf dem Kopf getragen. Fast alle haben starke Rückenbeschwerden. Auf die Frage hin wieso sie denn nicht einfach alle ins Tal ziehen, wenn das Leben hier oben in den Bergen so beschwerlich ist, sagten sie, dass das Leben in der Stadt unleistbar ist. Es war beeindruckend zu sehen, wie sehr ein MIVA-Muli die Lebenssituation von so vielen Menschen verbessern kann. Und es hat uns wieder darin bestätigt, dass „MIVA“ für viele Menschen unserer einen Welt ein Stück weit Hoffnung bedeutet.