Kaprun: Katastrophe führte Brüchigkeit des Lebens vor Augen

SALZBURG (kap/eds) / Bei der Gedenkstätte an die Brandkatastrophe der Gletscherbahn Kaprun vor 20 Jahren fand am Mittwochvormittag ein ökumenischer Gottesdienst statt. Geleitet wurde dieser von Roland Rasser, dem Generalvikar der Erzdiözese Salzburg, und vom evangelischen Superintendenten für Salzburg und Tirol, Olivier Dantine. Man befinde sich an einem Ort der Erinnerung für Trauernde, sagte Rasser, es sei aber „auch ein Ort, an dem wir immer noch und immer wieder nach oben schauen, nicht nur zu den Bergen, die nach wie vor ihre Anziehungskraft ausüben, sondern auch zu jenem Gott, der nicht auf jede Frage, die uns bewegt, eine verständliche Antwort bereithält". Das todbringende Ereignis des Jahres 2000 „haftet an uns“ und „gehört unauslöschlich zu unserer Geschichte“, so der Generalvikar.
155 Menschen kamen am 11. November 2000 beim Brand in der Standseilbahn Kaprun 2 ums Leben. Nur zwölf Personen überlebten. Unweit der Seilbahn-Talstation steht heute zur Erinnerung an die Opfer eine Gedenkstätte, bei der Angehörige der Opfer zu dem Freiluft-Gottesdienst zusammenkamen. Das Gedenken fand bewusst in kleinem Rahmen statt, es gab keine Reden von Politikern und auch Journalisten waren nicht erwünscht, wie es vonseiten der Gemeinde Kaprun hieß. Teilnehmende am Gottesdienst waren u.a. der Bürgermeister von Kaprun, Manfred Gaßner, der katholische Pfarramtsleiter Norbert Ronacher und der evangelische Pfarrer Rolf Engelhardt. Musikalisch gestaltet wurde die Feier vom Ensemble Paris Lodron.
„Brüchigkeit des Lebens vor Augen geführt“
In seiner Predigt verglich Generalvikar Rasser die Brandkatastrophe vor 20 Jahren mit dem im Evangelium beschriebenen Seesturm, der die Jünger Jesu in Angst und Schrecken versetzte. Der Verlust von 155 Menschen habe „die Brüchigkeit unseres Lebens vor Augen geführt“ und vor Aufgaben gestellt: geliebte Verstorbene loszulassen, sich den quälenden Fragen nach Ursachen, Schuld und Konsequenzen zu stellen, „ohne darauf eine glatte Antwort zu erhalten“, wie Rasser sagte. Es galt auch „um ein Warum, einen Sinn des Ganzen zu ringen, ohne dazu ein schlüssiges Ergebnis einzufahren, ... und das alles in einem turbulenten Auf und Ab, bei dem wir vielleicht keinen Gott mehr wahrnehmen konnten“.
Der Generalvikar versuchte mit dem Hinweis Trost zu spenden, dass der Sturm im Evangelium in völlige Stille mündet. „Sie ist das Eingangstor in eine neue Welt: in jene Welt Gottes, in der alles heil wird; jetzt können wir nur schweigend, glaubend und staunend daran teilnehmen.“
Prozess der Trauer und Versöhnung
Superintendent Dantine erwähnte in seiner Ansprache, dass beim Prozess der Versöhnung nach der Katastrophe „viele, aber nicht alle mitgehen konnten". Seine christliche Überzeugung sei, dass Vergebung und Versöhnung gerade von Gott erbeten werden darf. Auf die Frage, wie Gott so etwas zulassen konnte, werde nie eine Antwort zu bekommen sein, räumte der evangelische Geistliche ein.
„Aber dieser Gott kommt uns immer wieder in besonderer Weise nahe.“ Dantine warb für Vertrauen auf Gott, „der keines seiner Kinder vergisst oder verloren gibt“. Auf dem langen Prozess der Trauer, dem mindestens ebenso langen Weg der Versöhnung „werden Sie begleitet von Gott", sagte er den Hinterbliebenen. „In seine Hände sind Sie alle gezeichnet, an seinen Händen wird er Sie halten.“
Im Strafverfahren nach dem Seilbahnunglück konnte die Justiz keine Schuldigen finden, alle Beschuldigten wurden freigesprochen. Laut Urteil war der Brand wegen eines Gebrechens im Heizlüfter ausgebrochen, durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen sei es in der Folge zur Katastrophe gekommen. Die Opfer stammten aus Österreich, Deutschland, Japan, den USA, Slowenien, den Niederlanden, Großbritannien und Tschechien. Die "Betreiber der Unglücksbahn" wollten sich jedoch nicht aus der Verantwortung stehlen, versicherte der damalige Kapruner Bürgermeister und heutige Vorstand der Gletscherbahnen, Norbert Karlsböck, in den Salzburger Nachrichten. Er bat alle, die betroffen sind "und wohl immer unter der Katastrophe von Kaprun zu leiden haben, von ganzem Herzen um Verzeihung“.