In ein Leben ohne Alkohol begleiten

Salzburg. Jürgen hatte einen Rückfall. Beim abendlichen Besuch einer Bar wurde aus dem geplanten kleinen Bier rasch mehr. Ein Bekannter fand Jürgen zufällig und brachte ihn zurück zu SOALP. Hausregel ist, dass KlientInnen unter Alkoholeinfluss nicht in der Einrichtung bleiben dürfen. Am nächsten Morgen ging Jürgen so lange spazieren, bis er wieder nüchtern war. Danach meldete er seinen Rückfall – trotz massiver Selbstvorwürfe und Sorge um seinen Platz bei SOALP. Jürgen konnte bleiben. Er erkannte, dass kontrolliertes Trinken keine Option und absolute Abstinenz nötig ist. Er blieb trocken. Dank der Gespräche mit der Psychologin kann Jürgen jetzt Warnsignale rechtzeitig erkennen und gegensteuern.
Alkoholabhängigkeit ist eine lebenslange Krankheit, zu der Rückschläge gehören. 60 Prozent der BewohnerInnen konnten im Jahr 2015 im SOALP abstinent bleiben. Das ist ein großer Erfolg. „Es kostet viel Kraft, nach einem Rückfall wieder mit dem Trinken aufzuhören und sich dem Rückschritt zu stellen. Unser Team, bestehend aus zwei Psychologinnen und einer Sozialarbeiterin, steht hier unterstützend zur Seite; wir ergründen mit den Leuten, warum der Suchtdruck so groß geworden ist, und zeigen auf, wie und wo man rechtzeitig Hilfe finden kann“, erklärt SOALP-Leiterin Isabella Seidl.
Österreich im EU-Vergleich vorne dabei
Zehn Frauen und Männer können für maximal 18 Monate, nach einer Entgiftungs- und positiv abgeschlossenen Entwöhnungsbehandlung im SOALP-Haus leben. Die BewohnerInnen bekommen je nach Bedarf Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder bei Behördengängen. Einmal pro Woche findet ein Einzelgespräch statt, in der die individuelle Situation Thema ist. Finanziert wird das Projekt vom Land Salzburg, in enger Zusammenarbeit mit: Magistrat Salzburg, den BHs in Hallein, St. Johann, Zell am See und Tamsweg sowie dem Land Oberösterreich.
OECD-Zahlen zufolge trinken die ÖsterreicherInnen übrigens 12,2 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr. Damit liegen wir im EU-Vergleich auf Platz drei – nur Litauer (12,7 Liter) und Esten (12,3 Liter) überholen uns. Der Grat zwischen Alkoholismus und „immer mal wieder“ Alkohol zu trinken ist oft schmal. Laut einer GfK-Studie aus dem Vorjahr kennt jeder Zweite Personen, die zu viel konsumieren. Tatsächlich sind in Österreich 350.000 Österreicher alkoholabhängig.
Bild (Caritas): Ermutigung und Angebote wie sie ihr Leben wieder suchtfrei und selbstbestimmt gestalten können – das finden Betroffene seit 15 Jahren bei SOALP Salzburg.
Interview DSA Karin Landl
RB: Ist Alkoholismus immer noch so ein großes Tabu?
Karin Landl: Österreich hat ja ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Alkohol. Irgendwie gehört er zur Kultur dazu, doch wenn es um die Schattenseiten und den Missbrauch geht, wird nicht hingeschaut. Bei Frauen ist Alkoholsucht ein noch größeres gesellschaftliches Tabu. Das fängt damit an, dass ein betrunkener Mann schon noch toleriert wird, bei einer Frau geht das gar nicht. Eine Abhängigkeit findet dann bei Frauen auch noch viel mehr im Verborgenen statt als bei Männern.
RB: Kann Alkoholsucht eigentlich jeden treffen? Welche Auslöser gibt es?
Karin Landl: Eine Suchterkrankung kennt keinen sozialen Status; unsere BewohnerInnen haben verschiedenste Hintergründe, Ausbildungen und Berufe. Was wir aber sagen können: Bei rund 80 Prozent der Biografien gab es im Umfeld schon eine Suchterkrankung. Je nachdem kann es einen Auslöser wie Jobverlust oder Scheidung geben oder es passiert schleichend – Stichwort Feierabendbier.
RB: Was macht SOALP konkret?
Karin Landl: Wir sind in der Nachsorge, das heißt wir beginnen nach einer positiven Entwöhnungstherapie. Die Leute leben bei uns wie in einer gro-ßen Wohngemeinschaft, sie kaufen selber ein und machen den Haushalt. Ich bin Sozialarbeiterin und unterstütze sie zum Beispiel bei der Wohnungs- oder Jobsuche. Mit den Psychologinnen im Haus wird über das Thema Abstinenz gesprochen oder über suchtgefährdende Momente, den Umgang damit oder wie Beziehungen wieder gepflegt werden können. Unsere BewohnerInnen stellen sich ihrer Abhängigkeit und setzen sich damit auseinander. Für mich sind es ganz mutige Menschen.