Gründonnerstag 2020
Liebe Srr. und Brr. via Medien verbunden mit der kleinen Schar hier im hohen Dom zu Salzburg, stellvertretend für die ganze Diözese und mit allen, die mit uns feiern.
Ich darf die Predigt mit einer Erfahrung beginnen, die ein Franziskaner aus der Ukraine in einer Begegnung von Mitbrüdern erzählt hat. Als Kind, in der Zeit des Kommunismus, war das sakramentale Leben in seiner Pfarre zur Gänze zum Erliegen gekommen. Priester gab es schon seit Jahrzehnten nicht mehr; nicht einmal gefangene im Gefängnis. Das Volk war ganz auf sich gestellt. Zuweilen waren schon Gerüchte im Umlauf, dass irgendwo ein Priester des Weges sei; Frauen packten daraufhin ihre Kinder und fuhren zuweilen bis zu 100 Kilometer mit dem Zug, um die Kinder taufen zu lassen, die Sakramente zu empfangen. Zum allgemeinen Leidwesen haben sich die Gerüchte sehr oft nicht bewahrheitet; oder man kam zu spät, und musste gleichsam unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Die Sehnsucht – aber – ist geblieben.
Im Dorf war man indessen nicht untätig. Sonntag für Sonntag versammelte sich die Gemeinde in der Kirche – ohne Priester, versteht sich. Die Ministranten bereiteten sich für die Messe vor; kleideten sich an, zogen von der Sakristei aus in die Kirche ein, und stellten sich links und rechts neben den Altar auf ihre Plätze. Auf dem Altar lag lediglich das Messkleid eines Priesters.
Das Volk begann die Messe, wie sie es seit alters her gewohnt war. Ein Mann im Volk hat den Ablauf der Feier im Messbuch vorgelesen, bis man zur Stelle der Wandlung kam; da hielten sie Stille, denn – so sagte man sich – jetzt kommt Jesus zu uns. Weiter ging es dann mit dem Vater unser, Lamm Gottes, und dann wiederum Stille, denn nun, so die Sehnsucht, kommt in der Kommunion, die es auch nicht gab, kommt Jesus zu uns. Auf diese Weise hat eine Pfarrgemeinde das getan, was in jeder Eucharistiefeier geschehen soll, nämlich ein Gedächtnis zu feiern, an das, was Jesus, als er wusste, dass seine Stunde gekommen war, getan hatte. Er wollte eine Gedächtnisfeier begehen, mit den Seinen, die er liebte. Diese Erinnerung hat die Gemeinde meines Mitbruders in schwierigen Zeiten wach gehalten.
Sollten wir uns durch dieses Beispiel nicht erbauen lassen? Denn wir erleben seit einiger Zeit eine ähnliche sakramentale Not. Wir können nun nicht wie vorhin gewohnt – und vielleicht oftmals als zu selbstverständlich gehalten – die Gedächtnisfeier unseres Herrn Jesus Christus in seiner ganzen Fülle feiern. Heute, an dem Tag, an dem wir das – HEUTE – der eucharistischen Opferfeier begehen, können wir dies nicht in der Fülle des ganzen Gottesvolkes tun; sondern lediglich stellvertretend für Alle.
Auch an dieser Stelle müssen wir uns fragen lassen: Haben wir das, was Jesus am Abend vor seinem Leiden mit seinen Jüngern gefeiert hat, nicht vorschnell nur als Mahl verstanden? Es war ein Paschamahl; ein neues Paschamahl, das nur aus dem jüdischen Kontext, in dem Jesus wirkte und lebte, vollends verstanden wird.
Die jüdische Paschafeier zur Zeit Jesu beinhaltete das Brechen des Brotes und das Trinken von mehreren Bechern Wein. Der vierte Becher war der Becher der Erlösung. Jesus beginnt das letzte Abendmahl mit dem Brechen des Brotes und dem Trinken des Weines. Er vollendet die Paschafeier nicht im damals herkömmlichen Sinn, sondern spricht nach dem dritten Becher die Worte, die wir Priester bei jeder Eucharistiefeier in persona Christi beten: „Nehmt und trinkt alle daraus, das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes. Mein Blut das für euch und für die Vielen vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Den vierten Becher, den Becher der Erlösung, trinkt Jesus nicht mehr. Für das damalige Verständnis also, hat Jesus die Paschafeier nicht vollendet. Denn das Werk der Erlösung geschieht erst auf Golgotha am Kreuz. Beim Evangelisten Johannes wird überliefert: Jesus spricht am Kreuz, um die Schrift zu erfüllen: „Mich dürstet!“ Dann reichte man ihn einen Schwamm mit einem weinähnlichen Getränk; Jesus trank und sprach: „Es ist vollbracht!“ Die neue Paschafeier war damit abgeschlossen. Die Mission Jesu hatte das Ziel erreicht. Der erneuerte Bund war damit grundgelegt.
Das, liebe Schwestern und Brüder, feiern wir, wenn wir Eucharistie feiern. Das können in diesen Tagen viele, die meisten von uns, leider nur aus der Ferne miterleben und mitvollziehen. Aber seid gewiss: Alle Menschen mit gläubigen Herzen sind in diesen Bund mithinein genommen. Euch wird die Gnade der Erlösung in dieser Stunde zugesprochen, so ihr euch danach sehnt, mit Jesus Christus das Opfermahl zu teilen.
Lernen wir aus der Not, was unsere Brüder und Schwestern in vergangener und auch gegenwärtiger schwerer Not getan und bezeugt haben. Sie haben die Erinnerung an die Gegenwart Gottes in den Sakramenten nicht vergessen. Sie haben sich nicht nur daran erinnert, was einst für uns alle im Heiligen Land geschehen ist; in ihnen ist auch die Sehnsucht nach den sakramentalen Tröstungen und Stärkungen gewachsen, so dass sie – als die Zeit sich änderte –bereit waren, Gott zu empfangen.
Ich darf mit der Geschichte meines Mitbruders, die ich am Anfang erwähnt hatte, schließen. Als dann zu besseren Zeiten ein Priester in diese Pfarre gekommen ist und mit den Menschen, die so lange ohne auskommen mussten, Eucharistie feierte, sagte der Priester: „Ich habe noch nie eine auf die Eucharistiefeier so gut vorbereitete Gemeinde erlebt, wie diese Menschen.“ Die drei österlichen Tage, sind Tage der Ein- und Umkehr, um bereit zu werden, wenn es am Ostersonntag heißen wird: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden.“