Gründonnerstag
Liebe Schwestern und Brüder!
Am Gründonnerstag feiert die Kirche die Einsetzung der Eucharistie. Erinnernd an den Abend vor seinem Leiden fügt der Priester den Eröffnungsworten der Wandlung „das ist heute“ hinzu. Ich lade ein, in der Feier des österlichen Triduums aufmerksam auf diesen Zusatz „und das ist heute“ hinzuhören. Wir werden diese Aktualisierung von damals auf heute, hier und jetzt mehrmals hören. Eigentlich sollte man in jeder Eucharistiefeier darauf hinweisen, dass wir im Jetzt betend, gedenkend mitvollziehen, was sich einst zu unserem Heil ereignet hat. Als unser Herr die kostbarsten Worte über Brot und Wein gesprochen hat und aufgetragen hat, das zu seinem Gedächtnis so lange zu tun, bis er in Herrlichkeit wiederkommt. Vom Hl. Apostel Paulus stammt das erste schriftlich niedergelegte Zeugnis von jenem Ereignis in der Nacht vor seinem Leiden. Wir haben dieses in der zweiten Lesung heute gehört. Das ist wohl die kostbarste Überlieferung, eine gleichsam testamentarische Letztverfügung unseres Herrn Jesus Christus. Nur zur Verdeutlichung, testamentarische Anweisungen in weltlichen Dingen genießen höchsten rechtlichen Schutz. Es gibt genaueste Anweisungen, wer und wie damit umgegangen werden muss. Darum bemüht sich die Kirche, diese Worte zu schützen und Art und Ort, wie und wo sie gesprochen werden dürfen, genauestens festzulegen. Ich möchte mit dieser Darlegung aufmerksam machen, es ist uns ein wertvolles Erbe anvertraut, die Vergegenwärtigung der Sehnsucht Jesu mit seinen Jüngern das Paschamahl zu feiern. Eine Sehnsucht, die sich nicht nur im Damals erfüllt hatte, sondern im „Heute“ eine stets neue Verwirklichung findet. Mit dieser derartig himmlischen Gabe sollten wir ehrfürchtig wie auch vorsichtig umgehen. Denn: Gott drängt sich nicht auf. Das Wort Gottes ist nicht mehr wie ein Donnergroll, seine Niederlassung nicht mehr auf unzugänglichen Bergspitzen, das Wort Gottes ist leise wie das Säuseln des Windes; Gott verbirgt sich in der anspruchslosen Gestalt des Brotes, so nennt es der Hl. Franz von Assisi. Von daher ist es auch zu verstehen, dass im Evangelium nach Johannes das letzte Abendmahl gar nicht überliefert wird. Das sei nicht Nachlässigkeit oder gar der Vergesslichkeit geschuldet, sondern hat einen tiefer liegenden Grund. An der Stelle, wo die anderen Evangelien das Paschamahl Jesu mit seinen Jüngern berichten, bringt Johannes die Fußwaschung. Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Kein Mann in der damaligen Zeit, der nur etwas Selbstachtung besaß, wusch einem anderen Mann die Füße. Das war Sache von Sklaven. Durch das Waschen der Füße Anderer ordnete man sich unter. Jesu tut das, um ein Beispiel zu geben, wie auch wir es tun sollen. Der tiefere Sinn dieser Erniedrigung wird in der Reaktion des Petrus spürbar. „Herr, du willst mir die Füße waschen? Niemals!“ Jesus erwidert: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir.“ Diese Zurückweisung Jesu erinnert an eine andere, nämlich als Jesus begann, die Jünger darüber zu belehren, dass der Menschensohn vieles erleiden und schließlich getötet werden müsse, um so zur Auferstehung zu kommen. Da war es Petrus, der Jesus dezent zur Seite nahm und ihm sagte, gewiss mit bester Absicht: „Das soll Gott verhüten.“ (Matth. 16,21ff). Da wird er jedoch von Jesus hart in die Schranken gewiesen, er nennt ihn sogar Satan, denn wie dieser habe er nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Diese Schärfe ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass Jesus einen Absatz früher Petrus zum Felsen erklärt, auf den er zu bauen sich anschickte: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Matth. 16, 17ff. Das Fundament verträgt keine Konzession. Denn es muss tragfähig sein für Zugeständnisse. Die Kirche im Sinne Jesu muss in Jesus fest gegründet sein, so dass sie fähig ist, den Menschen weit entgegen zu gehen und um wie Jesus selbst keine Berührungen mit der Welt zu fürchten. Das geht nur in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Heute wird das allermeiste nur mit dem Willen der Menschen abgestimmt. Da sind wir nicht auf der Seite Jesu, sondern wir lassen uns vom Wind des Zeitgeistes drehen. Wer fragt heute noch, ob es der Wille Gottes ist, wie mit dem Menschsein an den ausgezeichneten Momenten des Lebens, wie Anfang und Ende des Lebens, umgegangen wird? In dieser letzten Hingabe an den Willen Gottes lässt Jesus keinen Kompromiss zu. Das gilt in besonderer Weise für Petrus, das ist der Fels, auf dem Kirche gebaut sein muss.
Wo liegt nun der tiefere Sinn dieser Zurückweisungen, wenn wir nun auf das Geschehen in den Abendmahlsaal blicken. Sowohl in der Einsetzung der Eucharistie als auch in der Fußwaschung offenbart sich, wie weit die Liebe zu gehen bereit ist. „Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, …, da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.“
Er gibt sein Leben hin für uns! Er gibt sich uns zur Speise! Auf dass wir ewiges Leben haben. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“ (Joh. 6,54)
Liebe Brüder und Schwestern, ich darf mit meinem Ordensvater Franziskus schließen. Dieser arme kleine Mann aus Assisi konnte nicht genug staunen über die Anwesenheit Gottes in der Eucharistie: „Seht die Demut Gottes“ ruft er aus, „wie er sich in der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt.“ Und dieser so demütige wie auch große Heilige hat den Zusammenhang von der eucharistischen Gabe Gottes und seiner letzten Hingabe für uns Menschen tief erkannt, wenn er uns ermahnt: „Demütigt auch ihr euch!“
Auf einer Weihnachtskarte soll einmal der Spruch gestanden sein: „Mache es wie Gott und werde Mensch.“ Ja, seien wir in der Begegnung mit unseren Mitmenschen Menschen im Sinne Jesu; aber seien wir glaubende Menschen, die wie die Kirche im eucharistischen Hochgebet beten: „Herr, wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“