Glück und Segen
Breitenbach. Paul Ingruber ist überall begeistert dabei. Das weltliche Brauchtum und das kirchliche Engagement schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Sie haben einiges gemeinsam.
Die Peaschtln ziehen von Haus zu Haus. Der ganze Ort schwingt im Rhythmus der Trommeln. Auch in der Nacht. Begeisterung pur. Und einfach mystisch.
Das „Peaschtln laffn“ ist der Höhepunkt im Brauchtumsjahr in Breitenbach am Inn. Die Beteiligten legen dabei großen Wert auf Ursprünglichkeit und anständiges Verhalten. Große Umzüge mit spektakulären bengalischen Feuern sucht man vergeblich. „Allein der Mensch unter der Larve mit seinem Gewand ist die Erscheinung. Es geht um Nachbarschaftspflege von Breitenbachern für Breitenbacher“, erklärt Barbara Moser, die darüber gerade ein zweites Buch veröffentlicht hat.
Monatelang beschäftigt das „Peaschtln laffn“ die Breitenbacher. Im September werden auf den Maisfeldern „Flitschen“ (Blätter der Maiskolben) gesammelt und in mühevoller Handarbeit über ein Brett mit Nägeln gezogen („hacheln“), zu „Bratschen“ gebunden und schließlich auf das Gewand genäht. Am 5. und 6. Dezember ticken die Uhren dann anders und der Alltag bleibt beinahe stehen. Manche haben sogar einen schulautonomen Tag. Nur die Gymnasiasten bekommen leider nicht frei zur Brauchtumspflege: „Wenigstens haben wir heuer eine Schularbeit verschoben“, sagt Paul Ingruber. „Als Kleinkind hatte ich Angst vor den großen Peaschtln. Im Kindergarten wollte ich dann auch so sein, weil ich mich dadurch stark fühlte.“
Peaschtl-Fieber von klein auf
Seit der zweiten Klasse ist der heute Zwölfjährige nun begeisterte „Hexe“ bei der „Thoia-Pass“: „Die Hexe schafft und leitet an, geht der Peaschtl-Pass voraus, gibt den Takt an, entscheidet über die Route und wie lange die Pass wo bleibt. Sie kehrt auch das Böse und Unheil aus dem Haus. Mir gefällt es, dass die Hex‘ so beweglich ist und ich Purzelbäume machen kann“, gibt er einen Einblick in seine Aufgabe. Der Hexe folgen Trommler, Bläser mit Bockshorn und Hupfer mit „Kümpfe“ (Glocken) und Schellen: „Das ist wie beim Ministrieren. Da kann auch nicht jeder machen, was er will. Wir haben anfangs wochenlang jeden Freitag mit der Mesnerin geübt, bis wir den Ablauf in der Kirche in- und auswendig wussten“, lächelt der Jugendliche, der zudem beim Jugendorchester und beim Eishockey aktiv ist.
Von Haus zu Haus unterwegs
„Die Kinder-Passen gehen von Haus zu Haus und wünschen Glück, Segen sowie eine gute Ernte. Es hat sich eingebürgert, dass sie dafür von den Haus- und Hofbesitzern Geld bekommen“, erzählt Barbara Moser. „Je höher die Peaschtln springen, desto höher wächst der ‚Troad‘. Das Getreide wird bei uns heute nicht mehr angebaut, aber das Peaschtln bringt Fruchtbarkeit auf die Höfe und wirtschaftlichen Erfolg in die Landwirtschaft und den Gastgebern.“
Moser weiß, „beim Peaschtln geht es darum, den anderen etwas Gutes zu tun und zusammenzukommen. Man stellt gemeinsam etwas auf die Beine. Eine wichtige soziale Komponente im Dorf“. Und dieses Peaschtl-Fieber lässt die Breitenbacher nicht mehr los: „Das Peaschtln ist ausschließlich den Männern vorbehalten. Die nehmen sich meist extra frei. Die Frauen kümmern sich um die ganz kleinen Peaschtln oder versorgen die Buben und Männer mit Getränken und Essen, wenn sie als Gäste empfangen werden – auch das ist Nachbarschaftspflege.“
Interessant ist, dass die Peaschtln zur Schulzeit noch manchmal ihre Pass wechseln – je nachdem, in welcher ihre Freunde sind. Aber vom Ausschulen bis zur Pension bleiben sie meistens in derselben. „Das sind Freundschaften für’s Leben“, berichtet Barbara Moser. Beim Peaschtln gibt es außerdem noch viele ungeschriebene Regeln. Eine ist, dass aus Achtsamkeit vor den Toten nicht getrommelt wird, wenn die Pass am Friedhof vorbeigeht. Auch die Glocken und Blasinstrumente verstummen kurz.
Daniela Pfennig
Buchtipp: Barbara Moser: Lebendiges Brauchtum – Peaschtln laffn. Edition Tirol 2019, 176 Seiten, ISBN 978-3-853612-36-1.
Fotos: Die Gemeinde im Tiroler Unterland gilt als Hochburg des „Peaschtln laffns“. Als Hexe ist Paul Ingruber in der Peaschtl-Pass in Breitenbach unterwegs.
Fotos: RB/Moser