Es rumort innen und außen; viele würden sie am liebsten von heute auf morgen abschaffen – Religionen haben in Staat und Gesellschaft keinen leichten Stand. Das zeigte eine Tagung im Bildungszentrum St. Virgil.
Sandra Bernhofer
Salzburg. Der Petersdom liegt verlassen da, davor das Minarett einer Moschee. Frauen in Burka und Männer mit Turban schlendern über den Bazar, der einst der Petersplatz war – ein Horrorszenario für Christen. Wahr gemacht hat dieses die russische Künstlergruppe AES+F, 1996, am Computer. Ein Projekt, das scharf kritisiert wurde. Dass Kunst Grenzen hat, vor allem wenn dabei mit religiösen Symbolen im öffentlichen Raum gespielt wird, zeigt Kunsthistorikerin Julia Allerstorfer auch anhand anderer Beispiele: Der Schweizer Christoph Büchel verwandelte im Vorjahr bei der Biennale von Venedig die stillgelegte Kirche Santa Maria della Misericordia in eine Moschee mit Schuhregalen statt Weihwasserbecken im Eingangsbereich, grünen Teppichen und Gebetsnische. Schon im Vorfeld wurde er mit immer neuen Auflagen und technischen Vorschriften überhäuft, schließlich drohte die Kommune mit der Schließung des Pavillons.
Gesellschaft mit Religionsphobie
Religionen haben in der heutigen Zeit keinen leichten Stand. Den meisten wäre es recht, wenn sie von heute auf morgen abgeschafft würden, stellt der katholische Theologe Franz Gmainer-Pranzl, der die Diskussionsrunde zu Religion und Öffentlichkeit moderiert, in den Raum, eine Einstellung, die der Religions- und Kirchensoziologie Gert Pickel als Religionsphobie bezeichnet, vor allem gegenüber Muslimen und besonders dort, wo es kaum Kontakt gibt.
Vorurteile sind auch Kurt Krammer vom Buddhistischen Zentrum Lehener Straße nicht fremd – positive zwar, aber „der Buddhismus ist keine Bedrohung und damit eine Nische, an der jeder vorbeigeht“. Diese Nischensituation bilde sich auch offiziell ab: Zwei Zeilen regeln die gesetzliche Grundlage in Österreich. Ähnlich geht es der 300.000 Mitglieder zählenden evangelischen Kirche in Österreich, wie der Halleiner Pfarrer Peter Gabriel berichtet: „Religion ist öffentlich, es ist nicht geheim, was wir da tun, die Türen stehen offen – aber als Minderheit präsent zu sein ist nicht einfach.“ In den Medien würden eher Halloween und der Weltspartag aufgegriffen als der am selben Tag stattfindende Reformationstag – obwohl offiziell in Österreich alle Religionen gleich behandelt werden müssen.
„Einzelbegegnungen sind so wichtig“
Die Zeiten werden nicht leichter – diese Prognose teilen alle Glaubensvertreter auf dem Podium. Der evangelische Pfarrer fände es gerade jetzt „fahrlässig, über die Abschaffung des Religionsunterrichts nachzudenken“. Auch für die Theologin Andrea Lehner-Hartmann ist dieser ein wesentlicher Teil der
Humanbildung, der dem heute so allgegenwärtigen Ruf nach der ökonomischen Verwertbarkeit von Bildung entgegensteht: „Bildung soll herausfordern, das Welt- und Selbstverständnis verändern – das kann Religion.“
In Zeiten wie diesen, in denen das politische Klima kühl und Religion, falls überhaupt thematisiert, zunehmend instrumentalisiert werde, müsse man das Verbindende betonen: „Wir sollten für Gerechtigkeit eintreten – das ist unsere gemeinsame Basis“, betont Adis Serifovic, der Landes- und Bundesvorsitzende der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Er spricht auch den Lehrgang „Brücken bauen“ an, der einen Ort der Begegnung, aber auch der Konfrontation biete, in dem Vorurteile durch Dialog abgebaut würden. „Einzelbegegnungen sind so wichtig“, sagt Serifovic und erzählt von einem Mädchen mit Kopftuch, das nach einem Hochwasser den Boden im Haus einer alten Frau wischte: „Sie weinte vor Rührung, weil sie so ein schlechtes Bild vom Islam gehabt
hatte.“ Das Eintreten für einen liberalen europäischen Islam sorgt aber auch intern für Spannungen: 2006 hatte ein radikaler Muslim, der „der MJÖ die Augen öffnen“ wollte, eine Bombenattrappe am Wiener Büro platziert.
Wie wichtig Religionen nach wie vor sind, zeigt auch die aktuelle Flüchtlingskrise, ist die Landtagsabgeordnete und Katholikin Kimbie Humer-Vogl überzeugt: „Ohne Religionen können wir das nicht stemmen. Kirche und Staat sind zwei verschiedene Dinge, aber sie können nicht ohne einander – das ist mir bewusst geworden, als alle halfen: Caritas, Diakonie, muslimische Jugend."