Der neue Kirchenmusikreferent der Erzdiözese, Andreas Gassner, hat im Interview verraten, dass die Kirchenmusik längst nicht verstaubt und Singen eigentlich gerade sehr in Mode ist.
Julia Wadl
RB: Wie ist es um die Kirchenmusik bestellt? Ist sie im 21. Jahrhundert angekommen?
Gassner: Musik ist immer ein Abbild ihrer Zeit. Kirchenmusikalisch wird viel Neues komponiert, wobei der Stil nicht so einheitlich ist. Es reicht vom geistlichen Volkslied bis zum Rock-Oratorium. Da wird viel experimentiert, was schön ist, weil es so lebendig ist.
RB: Greifen nicht viele Kirchenchöre auf Altbewährtes wie Mozart zurück?
Gassner: Eine Mozartmesse mit Orches-terbesetzung ist etwas Besonderes. Der finanzielle Aufwand, der selbst getragen werden muss, ist groß. Unsere Chöre haben aber einen Reichtum an Literatur, vieles wird a-cappella gesungen. In den Jahren als Kirchenmusikreferent für den Pongau und Pinzgau habe ich gesehen, welches abwechslungsreiches Liedgut sie im Repertoire haben. Mit einfachen Liedsätzen erreicht man durch Mehrstimmigkeit einen sehr festlichen Charakter.
RB: Haben Sie einen zeitgenössischen Lieblingskomponisten?
Gassner: Morten Lauridsen, um nur einen zu nennen. Er fasziniert mich, weil er so klangvoll, mystisch und farbenreich komponiert.
RB: Haben Kirchenchöre Nachwuchsprobleme?
Gassner: Singen ist gerade in aller Munde und Musik nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Liturgie ein. Ich kenne viele Kirchenchöre die Nachwuchsstimmen haben, aber auch welche, die Mitglieder suchen.
RB: Ist ein Trend zum Chorsingen zu sehen?
Gassner: Es wäre schön, wenn man von einem Trend sprechen könnte. Aufbauarbeit wird vom Chorverband und dem Kirchenmusikreferat geleistet: Die Singwochen für Erwachsene und Kinder sind immer ausgebucht. Zum Singen mit Jugendlichen kamen 150 Interessierte. Inwieweit das ins Pfarrleben einfließt, ist die Frage. Ich denke, die Freiwilligenarbeit ist das Thema. Auch Feuerwehr oder Rotes Kreuz suchen nach Nachwuchs – wer tut sich das heutzutage an? Dabei ist ein Chor gemeinschaftsbildend und sehr wichtig für die Gemeinde. Die Frage ist, wie man das fördern kann. Allerdings merke ich einen Aufschwung, auch bei der Chorleiterausbildung. Das ist für mich ein Zeichen, dass Interesse besteht und das finde ich schön.
RB: Man bekommt das Gefühl, dass es Sänger gibt, aber Nachwuchs bei Organisten fehlt.
Gassner: Es war nie so ein großer Run bei Organisten. Die Erzdiözese bildet gerade 65 Musiker aus. Das sind viele, aber es stimmt, es werden mehr benötigt. Dabei haben wir in Salzburg wunderschöne Instrumente.
RB: Das neue Gotteslob wurde 2013 eingeführt. Hat es sich etabliert?
Gassner: Es wird gut angenommen. Es war auch Zeit für ein neues Buch, das Liedrepertoire und die Gottesdienstformen haben sich verändert. Früher waren Wort-Gottes-Feiern noch kein Thema. Es war eine schwierige Aufgabe, die aber sehr gut gelöst wurde.
RB: Sie haben 1990 den sehr erfolgreichen Kammerchor Vox Cantabilis gegründet. Werden Sie den jetzt aufgeben?
Gassner: Ich muss mich musikalisch ausleben. Ich komponiere, habe Orgelsätze für das Gotteslob und etwa 200 Werke, vom einfachen Volkslied bis zu anspruchsvollen Chorkompositionen, geschrieben. Ich bleibe Chorleiter, bin zu 80 Prozent bei der Erzdiözese und zu 20 Prozent in der Pfarre Bischofshofen angestellt. Dort bin ich seit Jahren Organist, die Pfarre ist mir zur Heimat geworden.
RB: Welche neuen Akzente wollen Sie setzen, was erwartet uns 2016 kirchenmusikalisch?
Gassner: Ich werde natürlich versuchen, vieles weiterzumachen, aber es wird auch Neuerungen geben. Mein Schwerpunkt liegt sicherlich auf der Chormusik, ich dirigiere leidenschaftlich gerne. Ich bin Ansprechpartner für kirchenmusikalische Angelegenheiten in Pfarren und betreue Projekte wie den Kirchenmusikalischen Herbst. Beim Projekt „Salzburg 2016“ z. B. werden heuer rund um den Rupertitag Chöre in den Pfarren Stücke von Salzburger Komponisten aufführen – vom einfachen Liedsatz bis zur anspruchsvollen Messe.