Eröffnung der Salzburger Hochschulwochen
Hochwürdigster Herr (Erz)Abt
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst,
Sehr geehrter Herr Abgeordneter zum Landtag, Josef Schöchl, der heute auch in Vertretung des Herrn Landeshauptmanns gekommen ist,
ich begrüße den Hausherrn, Herrn Rektor Lehnert,
sehr geehrter Herr Obmann,
geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Academia,
Professorinnen und Professoren,
sehr geehrte Damen und Herren!
„Ach, die Tür des Glückes geht nicht nach innen auf, so dass man auf dieselbe losstürmen und sie aufdrücken könnte.“ So schrieb der dänische Philosoph Søren Kierkegaard einst. Viktor Frankl hat dieses bedeutungsvolle Wort in sein Sinnapostolat paraphrasiert: „Die Tür zum Sinn, ach Gott, sie geht nicht nach innen auf!“ Es braucht den Schritt zurück.
Vom Zurücknehmen, sich Reduzieren sprach auch Leopold Kohr, wenn er sagte: „Wo immer etwas fehlerhaft ist, ist es zu groß“. Größe sei sowohl im sozialen als auch im physischen Sinne das „zentrale Problem der menschlichen Existenz“, so Kohr. In diesem Denken entstand sein Ansatz vom Europa der Regionen, das er als Überwindung der Nationalstaatlichkeit auch als Friedensprojekt sah.
Wir leben nun in Zeiten, in denen die Reduktion uns gleichsam als Menetekel an die Wand geschrieben scheint. Die globale Not, durch Klimawandel und Kriege bedingt, gesellschaftliche Spaltungen, das Zurückweichen der Religion aus dem Leben von immer mehr Menschen fordern uns heraus.
Als Kirche sind wir mit Reduktion in besonderer Form konfrontiert. Ein anderer großer Denker des 20. und frühen 21. Jahrhunderts formulierte schon im Jahr 1958: „Die Kirche hat zunächst den Strukturwandel von der kleinen Herde zur Weltkirche durchgemacht; sie deckt sich seit dem Mittelalter im Abendland mit der Welt. Heute ist diese Deckung nur noch Schein, der das wahre Wesen der Kirche und der Welt verdeckt und die Kirche zum Teil an ihrer notwendigen missionarischen Aktivität hindert.“ Der Autor dieser Zeilen war der junge Joseph Ratzinger, der verstorbene Papst Benedikt XVI.
Beide Aussagen und Denkansätze erinnern mich an das Wort Johannes‘ des Täufers, welches ich als Wahlspruch meines Bischofsamts angenommen habe: „Ihm gebührt es zu wachsen, ich aber muss kleiner werden.“ So Johannes über den, der ihm nachfolgt und vorausgeht: Jesus Christus. Das „Du“ muss wachsen können, das Ich kleiner werden. Darin liegt das Prinzip des Lebens.
Im Thema der diesjährigen Hochschulwochen „Warum wir mehr Weniger brauchen“ – ist das Wort „Weniger“ großgeschrieben, es ist substantiviert. Beinahe scheint mir, man könnte unter diesem Gesichtspunkt auch das „mehr“ großschreiben. Bei allem, worin wir uns verringern und reduzieren, im Weniger liegt auch ein Mehrwert für die Vielen: Ein Mehr an Sinn, ein Mehr an Freude und gewiss auch ein Mehr an Frieden!
Johannes der Täufer drückt mit seinem Wort vom Kleinerwerden eben nicht aus, ins Nichts hinein zu verschwinden, sondern wo er sich zurücknimmt, wächst der andere, wächst Christus.
An anderer Stelle benennt Johannes dies auch, wenn er auf seinen Platz im Ganzen Heilsgeschehen hinweist: Er weiß sich nicht im Zentrum, sondern er ist mit dabei – als Freund – und er hört die Stimme. Diese Freude, so Johannes, sei für ihn Wirklichkeit geworden.
Dies sollte uns Zuversicht geben, denn für uns heute gilt es im Besonderen: Die Tür zu einem verantworteten Umgang mit den Ressourcen des Lebendigen, ach Gott, sie geht nicht nach Innen auf.
In diesem Sinne darf ich die diesjährigen Salzburger Hochschulwochen für eröffnet erklären und wünsche einen spannenden und fruchtbringenden Austausch!