Eröffnung der Festwoche zu 350 Jahren Maria Plain
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Gnadenbild von Maria Plain zeigt uns Maria als pflegende, tröstende Mutter, die das Göttliche Kind zärtlich in ein Tuch hüllt. Eine zutiefst menschliche Geste. Gott vertraut sich in seinem Sohn den armen einer Jungfrau an.
Was meiner Meinung nach in der Mariologie zu wenig bedacht wird, ist die Zeit nach der Flucht nach Ägypten, als Josef und Maria mit dem neugeborenen Kind in Nazareth sesshaft werden. Die Geburt wurde glorreich von Engeln angekündigt; Hirten hörten es; die Fremden aus dem Morgenland zogen heran; die Menschen wurden in ihrer ganzen Sehnsucht getroffen; König Herodes aber erschrak, und mit ihm ganz Jerusalem. All das ist nach den Evangelien in der Folge verflogen. Es folgen an die dreißig Jahre, die – abgesehen vom Bericht über die Pilgerfahrt nach Jerusalem – fast zur Gänze von der Alltäglichkeit menschlichen Lebens geprägt sind; nach dem Aufblitzen der Außergewöhnlichkeit des zwölfjährigen Jesus im Tempel heißt es lediglich: „… er kehrte mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam.“ Von Maria aber wird gesagt: „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.“
DAS ist Maria, die Mutter Gottes; auch bei der Verkündigung durch den Engel erschrak sie über die Anrede „du Begnadete“ und überlegte, was dieser Gruß wohl bedeuten möge. Maria ist eine zutiefst verinnerlichte, geisterfüllte Person. Auf sie trifft im Besonderen zu, was der große Exeget Klaus Berger über den Heiligen Geist gesagt hat, nämlich dieser sei „Schweigen, wo vorher geredet wurde.“ Es ist daher nicht von ungefähr, dass aus der Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu von Maria nur ein einziger Satz überliefert ist: „Was er euch sagt, das tut!“ – Dabei hat sich in ihr, durch sie ein unermesslicher Reichtum dargeboten; der Gottesname „Emmanuel“ ist in seiner Bedeutung „Gott mit uns“ personal wirklich geworden. Jesus Christus ist Gott mit uns. Diese Nähe, diese Gottesinnigkeit hat Maria über dreißig Jahre gelebt und zugelassen, während um sie herum die Welt ein gottfernes Spiel aufführte. In ihr hat Gott ein Stück Paradies bewahrt.
Was mag es für Maria bedeutet haben, als Jesus aus seiner göttlichen Verborgenheit heraustrat und aussprach, wer er sei, wozu er gekommen sei? Es heißt, da staunten die Menschen von Nazareth über die Weisheit, mit der er sprach; aber sie staunten nicht lange, denn alsbald wurden sie von ihrer allzu menschlichen „Weisheit“ eingeholt: „Ist das nicht der Sohn Josefs? Ist das nicht der Zimmermann?“ Und sie lehnten ihn ab, ja, wollten ihn sogar töten.
Was ist da geschehen? Da wurde dieses göttlich-menschliche Ereignis allein mit irdischen Maßstäben gemessen, das Ereignis Jesus von Nazareth, geboren von der Jungfrau Maria. Man wird es nie rein menschlich hinreichend verstehen können; tut man es doch, liegt man gefährlich falsch.
Liebe Schwestern und Brüder, leider Gottes geschieht eben dies in unserer Zeit allzu oft. Auf Gott, auf die Offenbarung als ein einmalig-einzigartiges Geschehen wird zuweilen nur aus menschlicher Perspektive geblickt und demgemäß verstanden. Kürzlich haben wir solches in einer Darstellung der Geburt Jesu gesehen. Von der Empfängnis Jesu wird uns aus dem Evangelium berichtet: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“
Dieses Geschehen der Empfängnis kann und darf nicht als rein menschliches, diesseitig-physisches Faktum dargestellt und verstanden werden. Genauso verhält es sich auch mit Jesu Geburt! Wir dürfen, wenn es um Person und Wirken Mariens geht, die göttliche Dimension nie ganz ausschließen. Dies können wir allein bei uns, die wir, wenn auch zugleich gerechtfertigt, doch Sünder sind.
Ich komme zum Schluss: Ich danke den Benediktinern, den Hütern dieses Heiligtums. Marienheiligtümer geben immer etwas von dieser paradiesischen Atmosphäre des Hauses Mariens in Nazareth wieder. Achten wir auf diese heiligen Orte, wo Gott Emmanuel – Gott mit uns sein kann. Maria ist uns darin Vorbild und Fürsprecherin.
Maria mit dem Kinde lieb
uns allen Deinen Segen gib!
Amen.